Der französische Originaltitel dieser Installation, die 2004 im Auftrag von »Le Fresnoy« produziert wurde, lautet »Contre-Chant«. Das Wort ist homophon zum Begriff »Contrechamp«, was man mit »Gegenschuss« übersetzen würde. Aber der Titel lässt auch die musikalischen Metaphern anklingen, die für den Stadtfilm der 20er Jahre geprägt wurden: Farockis Arbeit schließt an diese »Stadtsymphonien«, insbesondere an Dziga Vertovs Mann mit der Kamera und Walter Ruttmanns Berlin. Die Sinfonie der Großstadt an – beide Filme werden in der Installation zitiert. Knapp 80 Jahre nach Ruttmann und Vertov greift Farocki die Frage auf, wie sich eine Stadt, in diesem Fall die Kulturhauptstadt 2004, Lille, filmisch darstellen lasse.

Anders als Ruttmann und Vertov, deren Bilder in Gegen-Musik vorkommen, greift Farocki fast nur auf existierendes Bildmaterial zurück: Aufnahmen aus einem Schlaflabor, Bilder, die Überwachungskameras aus der Kanalisation und von öffentlichen Plätzen übertragen, wechseln ab mit Schaubildern zur Darstellung und den Metaphern der Stadt (die Kanalisation, die wie Adern die Stadt unter der Oberfläche durchziehen und das Bild eines Körpers evozieren). »Für Dziga Vertov beginnt der Tag mit der Bilderproduktion«, kommentiert ein Zwischentitel, um dem das eigene Verfahren entgegenzusetzen. »Für uns beginnt der Tag mit der Reproduktion. Wir zeigen den Schlaf auf Kameras, die schon auf Schlafende gerichtet sind.«

Die filmgeschichtlichen Referenzen sind in Farockis Installation Vorbild und Gegenschuss zugleich. Das Prinzip der Doppelprojektion dient dazu, ihre Nähe und Distanz auszumessen.

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