Filmgeschichte: Tag Gallagher

Monument Valley.
Über die Schwierigkeit, John Ford zu vermitteln

Von Stefan Ripplinger

Jeder Versuch, John Ford und seine Filme zu vermitteln, muss sich der Tatsache stellen, dass er nicht vermittelt werden wollte.

[1]In einem Rohschnitt findet sich das Interview oder Nicht-Interview in einer DVD-Box der KAVALLERIE-TRILOGIE, veröffentlicht von der Kinowelt Medien AG. Ein kurzer transkribierter Auszug erschien am 2. Dezember 1970 in The Listener. Er ist nachgedruckt in dem von Gerald Peary und Jenny Lefcourt edierten Band John Ford. Interviews (Jackson: University Press of Mississipi 2001: 137–140) unter dem Titel: »John Ford Talks to Philip Jenkinson about Not Being Interested in Movies«.

Ein erfrischendes Zeugnis dieser Weigerung ist das Interview, das Philip Jenkinson 1968 für die BBC mit ihm führen wollte. Es endet mit dem Satz des störrischen Ford, er hoffe, dies werfe die BBC nicht um 100 Jahre zurück. Der Sender hielt vielleicht das Risiko für zu hoch, strahlte jedenfalls die Sternstunde niemals aus. [1]

Der bereits schwer krebskranke Ford fläzt sich in einen Sessel seines Wohnzimmers, die Beine übergeschlagen, raucht Zigarillos in Kette und blinzelt misstrauisch ins Scheinwerferlicht. – Seit wann lieben Sie das Kino? – Ich liebe das Kino nicht. – Weshalb haben Sie Filme gedreht? – Es ist eine leichte Art, Geld zu machen. Ford parodiert den britischen Akzent des Interviewers, fragt den Tonmeister, weshalb er sich einen Schnurrbart wachsen lässt, unterhält mit Anekdoten über einen eifrigen Produzenten und einen ängstlichen Kameramann, über britische Aristokraten, ihren Chauffeur und den seligen Winston Churchill. Eine höchst vergnügliche Stunde, in der über Kunst und Film fast nichts zu erfahren ist.

[2]Vgl. etwa in Peary / Lefcourt, a.a.O., die Interviews von Jean Mitry, André S. Labarthe und Bertrand Tavernier.

Während zur selben Zeit Alfred Hitchcock den französischen Intellektuellen bereitwillig Auskunft über seine Absichten gab, schwieg Ford beharrlich. Wohl haben ihn, mit wenigen Ausnahmen, die französischen Intellektuellen gar nicht gefragt, aber wenn sie es doch taten, hat er sie mit denselben Scherzen abgefertigt wie alle andern. [2] Ford war zu reflektiert, um an Reflexionen interessiert zu sein. Er war kein Cinéast, weil er älter als das Kino war.

[3]Tag Gallagher, John Ford. The Man and His Films. Berkeley, Los Angeles, London: University of California Press 1986, S. 2.

John Ford war älter als das Kino. Dieser Eindruck drängt sich allen auf, die länger über ihn nachdenken. Die einen ziehen, wie Tag Gallagher, die Landschaftsmalerei des 19. Jahrhunderts und die amerikanischen Transzendentalisten zum Vergleich heran, andere fühlen sich, wie Walter Hill, an Charles Dickens, oder, wie Lindsay Anderson, an Shakespeare erinnert. Alle diese Vergleiche haben etwas für sich, besonders der letzte, und es ist einigermaßen verwunderlich, dass sich noch nie jemand gefragt hat, weshalb John Martin Feeney, wie der Mann tatsächlich hieß, [3] den Namen eines Theaterdichters der Zeit Elisabeths I. und Jakobs I. angenommen hat.

[4]So William Hemminge in »On Randolph’s Finger« (ca. 1632), zitiert nach Simon Barkers Einführung zu John Ford: ’Tis Pity She’s A Whore, London und New York: Routledge 1997, S. 2.

Sein Bruder Francis, der schon vor ihm in Hollywood arbeitete, wählte »Ford« zum Künstlernamen, John selbst nannte sich erst »Jack Ford«, dann »John Ford« – John Ford, wie der Dramatiker »with folded Arms and Melancholye hatt«, [4] der von 1586 bis 1639 gelebt und unter anderem ’Tis Pity She’s a Whore (ca. 1630), ein Stück über Inzest und Rache, veröffentlicht hat. Dem belesenen Regisseur wird das nicht verborgen geblieben sein, und wenn es Zufall war, war es wohl ein willkommener. Wirkt nicht seine eigene Vorliebe für geschichtliche Stoffe, sein Verschmelzen von Folklore mit Philosophie, Komik mit Komposition, dieses Einssein von Tief und Hoch, Hell und Dunkel sehr elisabethanisch?

Für den Regisseur Lindsay Anderson, einen Freund Fords, gibt dies das Fazit seines zweiteiligen Fernseh-Features John Ford (1990) ab. Dieser Künstler, sagt er, wisse die Ungebildeten und die Gebildeten, nicht aber die Vulgären und die Spitzfindigen zufrieden zu stellen.

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Das filmvermittelnde Arrangement von John Ford ist so lächerlich wie bei den meisten solcher Präsentationen: Anderson sitzt als Gentleman vermutlich im Rauchsalon seines Landhauses, links neben sich ein Glas Whiskey, rechts einen Monitor, und plaudert über den Mann und sein Werk. Eingeschnitten werden viele Filmbeispiele und Schnipsel von Interviews mit Zeitzeugen. Dennoch ist sein Feature dem viel bekannteren von Peter Bogdanovich, Directed by John Ford (1971/2006) weit überlegen. Denn wo Bogdanovich auf Stars und die kanonisierten Klassiker setzt, stellt Anderson Ausschnitte aus dem zu wenig bekannten, faszinierenden Frühwerk vor und lässt Mitarbeiter aus dem Team, den Cutter Robert Parrish oder Lefty Hough, bei The Iron Horse (1924) zuständig für die Requisiten, zu Wort kommen.

Wesentlich aufwändiger inszeniert Nick Redman in Becoming John Ford (2007) seine talking heads, vor allem Filmhistoriker. Sie werden in Schwarz und Weiß gezeigt, sitzen allesamt in einem kleinen Kinosaal oder Vorführraum, in dem irgendwas projiziert wird. Sie dürfen aber nicht zur Leinwand schauen, sondern müssen ins Nirgendwo Statements abgeben, während sich ihnen die Kamera – die unfordianischste, die denkbar ist – aufs Intimste nähert, die Poren ihrer Nasen filmt, dann zum Hinterkopf wegschwenkt, als ob sie nicht im Mindesten daran interessiert wäre, was gesagt wird.

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Was gesagt wird, ist aber ganz interessant, denn es geht um Fords Jahre bei Fox und mit Darryl F. Zanuck. Dialoge zwischen Produzent und Regisseur werden von Sprechern nachempfunden, was peinlich berührt, aber dennoch informiert.

Es versteht sich, dass solche Revuen willkürlich bleiben. Die Zeit mit Zanuck war die produktivste im Schaffen Fords. Es gab aber ein Danach, es folgten die berühmten Western. Doch ist zu verschmerzen, dass Redman über The Searchers (1956) kein Wort verliert, wenn er so erhellend über Young Mr. Lincoln (1939), Drums Along the Mohawk (1939) oder How Green was my Valley (1941) sprechen lässt. Und dass Anderson nicht wie jedermann The searchers für Fords größtes Werk hält, sondern They Were Expendable (1945), ist bedenkenswert; statt der Wüste das Niemandsland, statt eines irren Helden viele glücklose.

Dennoch ist The Searchers derjenige Film Fords, an dem sich am besten zeigen lässt, weshalb er sich fundamental von allen anderen Regisseuren, nicht nur Westernregisseuren, unterscheidet. Es ist derjenige unter seinen Filmen, der am leichtesten misszuverstehen ist. Denn der (klassische) Western baut auf Identifikation, die hier von Anfang an verhindert wird. Im Mittelpunkt des Geschehens steht ein Rassist, der seiner Obsession folgt. Im Mittelpunkt des Geschehens? Vielleicht ist schon das übertrieben. Zwar ist Ethan Edwards’ Suche der Motor der Handlung, aber diese Handlung wird dennoch, wie immer bei Ford, von vielen getragen. Und im Mittelpunkt des Films steht ohnehin nicht die Handlung, sondern das Monument Valley. Am Anfang reitet die winzige Figur von Ethan Edwards vor den gigantischen Altären dieser Berge. Was sich von Fords Filmen am tiefsten ins Gedächtnis einprägt, ist die majestätische Landschaft, die von Rinnsalen menschlicher Existenz durchzogen wird. Die Helden sind hier allesamt minor players.

Hartmut Bitomsky konzentriert sich in Der Schauplatz des Krieges (1976), seiner sorgfältigen und klugen Analyse des Kinos von John Ford, ganz auf The Searchers. Längere, in ruhigem Rhythmus montierte Ausschnitte werden von zwei Sprechern im Wechsel aus dem Off kommentiert. Der Stil des Kommentars ist höchst lakonisch, mitunter feierlich, Zitate von Engels bis Bloch fließen ein. Glücklicherweise widerlegt Bitomsky seine eigene Behauptung, dass Ford nur einfache Geschichten erzählte, selbst, indem er die ganze Komplexität allein dieses einen Films auseinandersetzt: Land und Vertreibung, Land voller Fremder, Land und Rückkehr, Familie und Bindung, Familie und Adoption, Familie und Militär, Tausch und Vertauschung, Tausch und Betrug, Tod und Töten, Tanz und Versöhnung. »Das und noch mehr ist die Geschichte.«

[5]Zu den von Will Rogers verkörperten Charakteren siehe meinen Aufsatz »Away, Away, Away«, Jungle World 25/2008.

In der zweiten Hälfte der Studie werden im Vergleich von The Searchers mit vielen anderen Filmen Fords wiederkehrende Motive erschlossen. Es erstaunt, dass die ebenso zynische wie intelligente Abwandlung des Stoffs in Two Rode Together (1961) nicht diskutiert wird. Auch lässt sich The Searchers, obwohl ein exemplarischer Film, nur vorsichtig verallgemeinern. Bitomskys apodiktische Formulierung: »Die Männer, die in Fords Filmen etwas zählen, können nichts als töten« trifft gewiss nicht auf Dr. Bull, [5] Judge Priest, Dr. Mudd, den jungen Lincoln, Tom Joad, Huw Morgan, den flüchtenden Priester von The Fugitive (1947), Sean Thornton, Victor Marswell und ungezählte andere zu. Sie trifft nicht einmal auf Ethan Edwards selbst zu.

Gerade nach Bitomskys Analyse ergibt sich, dass Ethan durchaus mehr kann als nur töten, ja sein Wunsch auszulöschen sich als die Perversion seines Wunschs zu vervollständigen auffassen lässt. Und das zeigt auch der Film. Man könnte das komplex nennen. Könnte man es auch, wie Roald Koller, »widersprüchlich« nennen? Koller stellt John Ford und die Mittel des Kinos (1976), seinem im Auftrag von westdeutschem und bayerischem Rundfunk produzierten Porträt, die Feststellung voran, dass der Regisseur weder über seine Filme reden noch sie interpretieren wollte. Darauf lässt er thesenartig seine eigene Interpretation folgen: »Ford war katholisch. Obwohl er sich immer hinter der Maske des hart gesottenen Handwerkers verbarg, sind seine Filme auch moralische Traktate von hoher Kunstfertigkeit. Sie sind gekennzeichnet von der Suche nach der Wahrheit, die im Alltäglichen sich offenbaren muss. Sie zeigt sich in seinen Filmen in den Widersprüchen, nicht in den Antworten, die seine Religion liefert.«

Das ist allerdings eine These, der sich widersprechen ließe, ohne auch nur eine einzige Minute Ford gesehen zu haben. Denn sie wirft die Frage auf: War er katholisch oder war er nicht katholisch? Wer katholisch ist, begibt sich nicht auf die Suche nach der Wahrheit, denn er hat sie schon, und sie liegt für ihn gewiss nicht in den Widersprüchen, sondern in der Einheit der Gegensätze. Ohnedies gehört die katholische zu den alten Religionen, für die der Inhalt des Glaubens viel weniger wiegt als seine Zeremonien und seine Sitten.

Und doch ist Kollers Einfall, die Katholizität Fords zum Ausgang seiner Überlegungen zu nehmen, fruchtbar. Denn dessen Katholizität erklärt viele Besonderheiten dieser Filme auf einmal: Sie erklärt, weshalb sie vormodern, mitunter archaisch, aber niemals bürgerlich sind. Sie erklärt die stets bedrohte Vorherrschaft von Institutionen wie Familie, Armee, Kirche. Sie erklärt die hohe Bedeutung von Ritualen und Festen. Sie erklärt die Macht von Kollektiv und Klasse über den einzelnen. Sie erklärt die Macht der Landschaft über die Figur. Sie erklärt die völlige Abwesenheit von Psychologie, subjektiver Kamera und Motivation. Sie erklärt den Verzicht auf Originalität und die Vorliebe für das Maß. Sie erklärt den Sieg der Legende über den Fakt und weshalb die Welt als ein theaterhafter Ort der Offenbarung und nicht als einer der historischen Realität erscheint.

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Katholisch ist aber auch die Einheit all der Gegensätze, die sich ergeben müssen. Koller möchte sie zu einer »Entfaltung der Widersprüche« modernisieren. Er zitiert die Szene aus She Wore a Yellow Ribbon (1949), in der Captain Brittles (John Wayne) mit Sergeant Tyree (Ben Johnson) und Lieutenant Pennell (Harry Carey, Jr.) ein Massaker beobachten. Es ist ein grausiger, kaum erträglicher Anblick; ein Mensch wird bei lebendigem Leib verbrannt. Doch die drei liegen ungerührt da, mit entsicherten Flinten, der Captain nimmt sich etwas Kautabak und bietet sie seinen Untergebenen an. Schließlich ziehen sie sich zurück und überlassen die Gemarterten ihrem Schicksal.

Koller kommentiert: »Erst durch die Entfaltung der Widersprüche stellt sich bei Ford die Würde des Menschen her.« Ein Jesuit könnte das wohl mit einiger Dialektik so hindrehen. Wesentlich leichter lässt sich der Szene aber die Auffassung entnehmen, dass die Würde des Menschen nicht selten mächtigeren Zwecken – der Erhaltung des Ganzen, der Familie oder, wie hier, der Truppe – geopfert wird und geopfert werden muss. Diese Opferung schildern viele Filme Fords, durchaus mit großer Sympathie für das Opfer, aber auch mit einem gerechten Sinn für die Opfernden. Fords Theologie fordert, beide Seiten im Blick zu behalten, den Rebellen und den Richter, Isaak und Abraham. Das gibt seinem Drama die an Shakespeare erinnernde Vielseitigkeit und unterscheidet seine Erzähltechnik von der in Hollywood sonst üblichen.

[6]Gallagher widerspricht hier explizit der Unterstellung von Nick Browne, der Betrachter identifiziere sich (nicht nur in dieser Szene) mit dem Blick einer Person, infolgedessen auch mit der Person selbst und werde so von einem impliziten Leser angeleitet. Vgl. Browne, »The Spectator-in-the-Text: The Rhetoric of STAGECOACH«, Film Quarterly, 2 / Winter 1975/76, S. 26–38.

Tag Gallagher hat das glänzend an der Tischszene von Stagecoach (1939) dargestellt. Ohne Zweifel wirbt der Film um Sympathie für die Hure und den Zuchthäusler. Doch er nimmt nicht ihren Blick ein. Zunächst zeigt die Kamera die Hure Dallas (Claire Trevor), dann den kalten Blick der sie verachtenden Offiziersgattin Lucy (Louise Platt) – doch nicht etwa aus dem Blickwinkel der so Verachteten. Gallagher stellt fest, dass Ford zwar emotionalisiert, doch stets in einer »empathischen Distanz«. [6] Wir sollen beide Seiten sehen, wir sollen die sich einander widersprechenden Interessen erkennen. Das ist anders bei Howard Hawks, es ist geradezu dramatisch anders bei Alfred Hitchcock, dem Virtuosen des subjektiven Erzählens. Ford dagegen, der so oft der Sentimentalität bezichtigt wird, bleibt distanziert, panoramisch.

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Gallaghers filmische Ford-Studien sind ein Muster an Scharfsinn und Genauigkeit, wirken aber oft so, als wären sie zu Hause mit der Küchenschere geschnitten und im Kartoffelkeller eingesprochen worden. Mit Bitomskys Film teilen sie ein Interesse für das Sehen, für die Blicke, die stets vor den Bildern kommen. Doch niemals gehört ein Bild einer einzelnen Person, einem einzelnen Blick. Stets kreuzen sich die Blicke, widersprechen sich die Interessen. Gallagher macht die Choreographie der Blicke und Gesten deutlich, indem er kurze Passagen drei-, viermal hintereinander zeigt. Das ist aufschlussreich, auch wenn der ruhige Puls des Fordschen Schnitts verloren geht, den Bitomsky stets respektiert.

In der Literatur gibt es die Erscheinung, dass die Vermittlung über den Gegenstand siegt. Noch heute wird James Boswells köstliche Biographie über Dr. Johnson gern gelesen, aber niemand liest mehr Dr. Johnson. Jeder kennt Büchners Lenz, kaum einer Lenz. Davon ist die Vermittlung von Ford gottlob sehr weit entfernt. Im Gegenteil führt sie vor Augen, dass sich ein großer Gegenstand seiner Vermittlung sperrt. Ford wollte nicht vermittelt werden, und er lässt sich auch nur schwer vermitteln. Weder die mikrologische Methode Gallaghers noch die morphologische Bitomskys oder die synoptische von Anderson, Bogdanovich, Koller oder Redman können ihm ganz gerecht werden. Dafür ist bei ihm zuviel gleichzeitig im Spiel. Alle diese Versuche sind von einem bemerkenswerten, manchmal steifen Ernst getragen, als ob sie sich von einem häufig gehörten Spott absetzen wollten.

Über Ford spotten die, die seine Filme nicht oder nicht wirklich angeschaut haben. Ein zur Schau gestelltes Desinteresse war und ist in Deutschland häufig und gibt sich gern politisch. In ihrer Polemik gegen John Wayne, Johnny, weil du Geburtstag hast... (ZDF, 1977), zeigt Christa Maerker die Szene aus The Quiet Man (1952), in der das Liebespaar auf handgreifliche Weise zueinanderfindet. Sie kommentiert: »Es wäre ungerecht, John Wayne für Grobheit und Grässlichkeit verantwortlich zu machen. John Ford gab ihm die Rolle und gab ihm damit vielleicht, was beiden Männern gefiel.« Gönnte Shakespeare sich und seiner Truppe mit The Taming of the Shrew, was ihnen gefiel? Hat diese Frage überhaupt einen Wert?

Maerker fragt: »Bevorzugen Sie die Hawkssche Frau oder die Fordsche Frau?« Wayne antwortet: »Die Freudsche.« Der anscheinend so tumbe und nachweislich reaktionäre Schauspieler erkennt die Falle, die ihm gestellt wird, ist aber höflich genug, seine Kritikerin im Gegenzug auf eine ästhetische Selbstverständlichkeit hinzuweisen: Wayne hat eine Rolle gespielt und nicht Maureen O’Hara misshandelt. Ford hat Frauen dargestellt, völlig unterschiedliche von der couragierten Miriam Marsh und der bewaffneten Barfrau in The Iron Horse über Mary of Scotland und Ma Joad bis zu den 7 Women (1966), und nicht sich einen Typ Frau erträumt. Identifikation, die Voraussetzung aller ideologischen Reproduktion, wird allein von der Ideologiekritikerin hergestellt.

Aber auch den Liebhabern Fords scheint das Burleske, für das The Quiet Man nur ein Beispiel unter vielen bietet, Schwierigkeiten zu bereiten, sie sprechen lieber über sein Murnausches Licht. In den Filmen wird viel gesungen, und sie sind manchmal sogar nach einem Kinder-, einem Volks- oder einem Soldatenlied benannt, Wee Willie Winkie (1937), My Darling Clementine (1946), She Wore a Yellow Ribbon. Liedgut steht für Lebensweisen. Eine untergegangene bäuerliche und proletarische Szenerie wird beschworen, die Ford selbst kaum gekannt hat. Erneut entwirft sich alle oft liebevolle Zeichnung des einzelnen vor einem übermächtigen Hintergrund, vor der Tradition, wie sonst vor der Klasse, der Institution, der Landschaft. Es ist gar kein Individualstil, sondern ein Kollektivstil, dem das Kollektiv abhanden gekommen ist. Solche starre Monumentalität muss in der Geschichte des neueren Kinos, dem Originalität alles ist, in einer Gesellschaft, die Individualisten schockweise produziert, altmodisch erscheinen. Sie ist aber auf eine eigentümliche und noch zu klärende Weise sehr politisch.

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