Filmvermittlung auf DVD

Bernard Eisenschitz zu Nicholas Rays »The Live By Night«

Das ist ein 26 Minuten langer Bonusmateriafilm der DVD von Éditions Montparnasse mit Nicholas Rays Les amants de la nuit (THEY LIVE BY NIGHT, USA 1948)

Bernard Eisenschitz, Filmhistoriker, Autor, Herausgeber der Zeitschrift »cinema«. Verfasser eines sehr lesenswerten Buchs zu Nicholas Ray. In dem Film spricht er zu THEY LIVE BY NIGHT von Nicholas Ray.

Eine taghelle Arbeitszimmersituation, Eisenschitz, in hellem Norwegerpullover, mit Brille, offenem Hemd, einem Ansteckmikro am Saum des Pullovers, frontal aufgenommen in einer Halbnahen, im Hintergrund eine Stereoanlage, angelehnte Schallplatten, eine Doppelpostkarte, die in einer merkwürdigen Halterung steckt und eine Postkarte, auf der Jean Seberg abgebildet ist (ein Szenenfoto aus À bout de souffle). Man hört in dem Gespräch nur Eisenschitz, nie die Fragen der Interviewerin und Realisatorin des Films Clélia Cohen. Dokument einer Filmauffassung.

Der Film ist durch sechs kurze Zwischentitel organisiert. Sie annoncieren einzelne Kapitel.

Anfangs noch ein routinierter, von kanonisierender Filmgeschichte abgesicherter Diskurs: die Einordnung des Films und des Regisseurs Nicholas Ray. Aber schon bald konkreteres: Die differenzierende Bestimmung: THEY LIVE BY NIGHT sei kein Polizeifilm mehr und auch kein film noir: ein Depressionsfilm, ein Film über das Land und um die Möglichkeiten einer Liebesgeschichte.

Über die Paare in dem Film. Die Inszenierung der interpersonalen Verhältnisse (Zwischentitel: »Le tissu des relations«). Dazu Ausschnitte der Gruppierungen in der Szene, die das Ankommen der entkommenen Sträflinge im Versteck erzählt. Die Organisation der Szene, die die unterschiedlichen Verbindungen der Figuren zueinander sichtbar macht. Gezeigt so, dass man diese lange Sequenz bisweilen ohne Off-Kommentar sieht (wenn viele Dialoge vorkommen), dann wird aber wieder über die Bilder und Töne gesprochen und daraufhin auf Eisenschitz zurückgeschnitten (eine Form des auralen Match-cut).

Abbildungsverfahren von THEY LIVE BY NIGHT (Zwischentitel: »Le tissu des images et des sons«) und Rays besondere Sensibilität dabei. Die Körperbilder. Die Nähen. Die Augen des einen in den Augen des anderen, was eine Nähe beinhalte zur Aufmerksamkeit, die dem Stummfilm eigen war. Nicht nur das illustrierte Drehbuch. Die aus dem Off anwesenden Eisenbahnzüge, das Lied, das noch aus dem Autoradio des explodierenden Autos zu hören ist.

Das immer mehr in den Vordergrund drängende Thema der »ersten Liebe« (Zwischentitel: »Premier amour«). Die Typen der Fragilität. Wie sie ihre Haare kämmt. Die Vorsicht. Zwischen den jugfräulichen Haupfiguren des Films geschieht etwa sehr Starkes. Die Fragilität und Verletzlichkeit der Figuren, die oft bei Ray vorkommt, vor der Ebene eines die Gesellschaft erfassenden Betrugs (Zwischentitel: »Délation«). Eine Besonderheit des Schlusses, in dem Dunkelheit und Licht ein besonderes Verhältnis eingehen (Zwischentitel: »Adieu de lumière«), die hervorzuheben der Originalton von THEY LIVE BY NIGHT zugunsten des Tons des Interviewfilms herausgenommen wird.

Filmografie