Filmvermittlung auf DVD

Serge Kaganski's Commentary zu »Casa de Lava«

Buch und Sprecher: Serge Kaganski; Produktion: Gemini Vidéo Editions, Frankreich 2005; Bonusfilm der Gemini Vidéo Editions DVD von Paulo Costas Casa de Lava (Portugal 1995); 4 Minuten, Französisch ohne Untertitel

Wo verläuft die Grenze zwischen Audiokommentar und Filmvermittelndem Film? Oder müsste man sagen: Manche Audiokommentare sind selbstverständlich filmvermittelnd, andere nicht? Manche gehören zum Feld von Gossip, Werbung, Insider-Talk und manche, »seriösere«, zum Feld von Vermittlung, Kritik und Öffnung des Films zum Zuschauer? Wahrscheinlich sind die Übergänge fließend.

Man kann sich diese Frage stellen, wenn man den nur vier Minuten langen Bonus-Beitrag von Serge Kaganski anschaut, in dem er einen Ausschnitt aus Pedro Costas Film Casa de Lava kommentiert. Auf der französischen DVD ist das Stück schlicht »Serge Kaganski’s Commentary« betitelt; einen Vor- oder Abspann gibt es nicht. Einerseits verbindet vieles Kaganskis Erläuterung mit dem, was man von Audiokommentaren kennt: Offenbar handelt es sich um einen mündlichen, eher spontanen Text und nicht um etwas Vorformuliertes und Abgelesenes. Und ein Teil des Kommentars bleibt sehr nah an den Bildern aus Costas Film, ohne sich weit in die Gefilde der Interpretation und Mutmaßung zu begeben.

Bei dem Ausschnitt, den Kaganski auswählt, handelt es sich um eine Szene zu Beginn des Films. Der capverdische Bauarbeiter liegt nach seinem Sturz vom Baugerüst im Krankenhaus; ein Arzt und eine Krankenschwester befinden sich rechts und links am Bett des Patienten. Kaganski beginnt mit einer behutsamen Beschreibung der Bildkomposition. Der symmetrische Aufbau, der durch eine vorne, im Schatten stehende Person noch akzentuiert wird; die Krankenschwester rechts, gestisch agierend, der Arzt links, sprechend. Es sind solche Zuordnungen und Bezüge, die Kaganskis Erläuterungen »filmvermittelnd« machen. Er beschreibt die Porträtfotografie der Krankenschwester und des Patienten als typische Costa-Einstellung, fühlt sich an Jacques Tourneurs I walked with a Zombie erinnert, verweist in der zweiten Hälfte der Sequenz auf andere Filme wie Stromboli (den er versehentlich Ingmar statt Ingrid Bergmann zuschreibt), Romancing the Stone oder African Queen: Filme, in denen die Differenz zwischen Norden und Süden und die Verlassenheit eines Westeuropäers in ihm unbekannten kulturellen und geographischen Gegenden Thema ist.

Diese zweite Hälfte des Ausschnitts spielt auf den Capverdischen Inseln, sie wird von körnigen Luftaufnahmen der kargen, vulkanischen Insel eingeleitet. Dann der immer noch bewusstlose Patient, der über die Landepiste getragen und unter einem Baum zum Ausruhen abgelegt wird. »Man weiß nicht, was man mit der Bahre machen soll. In diesem Land ohne Krankenhaus, ohne Infrastruktur.« Die Krankenschwester bleibt allein zurück.

Besonders an diesem kurzen Clip ist die changierende Sprecherposition. Scheinbar beiläufig, beinahe plaudernd redet Kaganski über den Film, aber in diesem Plaudern werden ganz unterschiedliche Nähen und Distanzen zum Film und unterschiedliche analytische Niveaus sichtbar. Casa de Lava und Pedro Costas Arbeit: Eine bestimmte Art, die Bilder zu komponieren. Eine spezifische Weise, sich in der Fimgeschichte zu situieren. Und ein Interesse daran, einen Konflikt zu inszenieren, der mit der kolonialen Vergangenheit Portugals zu tun hat.