Filmvermittlung und frühes Kino

Correction, please
von Noël Burch (1979)

Der Titel Correction, please bezieht sich auf die Korrektur der herkömmlichen Filmgeschichtsauffassung, nach der das »richtige« Kino erst mit der Unterordnung der Filme unter das Primat der »Erzählung« (ab ca. 1907) begann. Zum Hintergrund: Diese Neubewertung wurde von einer Reihe von Filmhistorikern und -wissenschaftlern seit den frühen 70er Jahren initiiert und ist unter dem Namen »New Film History« bekannt geworden. Noël Burch geht es - wie anderen Wissenschaftlern wie André Gaudreault, Thomas Elsaesser, Charles Musser und Tom Gunning - um die Entdeckung und Aufwertung des frühesten Kinos; des Kinos vor 1907, als es einerseits stark in massenkulturelle Alltagspraktiken eingebunden war und andererseits bestimmte »klassische« Inszenierungs- und Erzählweisen noch nicht ausgeprägt hatte.

Burch verwendet zur Veranschaulichung dieser Epoche verschiedene Verfahren. Er zeigt einerseits frühe Filme, in denen er Besonderheiten visuell und per Kommentar heraushebt: Die Blickverhältnisse etablieren noch keinen geschlossenen, illusionistischen Erzählraum, sondern richten sich direkt an das Publikum. Andererseits re-inszeniert Burch Szenen im Stil (und in den Kostümen) der Jahrhundertwende.

Besonders plausibel und anschaulich ist die Methode, eine simple Szene (jemand fährt vor einem Haus vor, wird von der Dienerin hereingebeten und schließlich von der Hausherrin empfangen) in mehreren Inszenierungspraktiken aus verschiedenen Phasen des Kinos aufzuführen: Zunächst in nur zwei starren Totalen und mit einem kommentierend-improvisierenden Kinoerzähler, dann eine stärkere Verbindung der Räume und Kamerabewegung, die dem Protagonisten folgt. Anschließend eine Fassung mit beinah psychedelischen Großaufnahmen und Tricks mit Kaschierungen; schließlich eine Fassung mit Ton, Gedanken des Protagonisten aus dem Off und stark psychologisierender Musik. Passenderweise läuft diese inszenierte Szene, die sich Stück für Stück zusammensetzt, auf die Hypnotisierung der Hauptfigur zu; ein Effekt, der dem klassischen Kino oft vorgeworfen wurde.

In diesen re-inszenierten Szenen geht Burch zeitlich über das frühe Kino hinaus: die fünf Stile entsprechen ungefähr den folgenden Entwicklungsstufen: circa 1903, zu Zeiten der Biograph-Filme von Griffith (circa 1909), der Übergang zum narrativen Studio-Langfilm (ca. 1915), ein Stummfilm im Stil Fritz Langs (1925), ausformuliertes klassisches Stummfilmkino aus dem Hollywood der späten 20er.

Immer wieder imitiert Burchs Film auch die »Nummernpraxis« unverbundener Episoden, wie sie das »Cinema of Attractions« (Gunning) auszeichnete. Zudem werden die Tonverhältnisse des alles andere als stummen »Stummfilms« nachvollzogen, wenn das Husten und die Unterhaltungen aus dem Zuschauerraum heraustönen, wie es im frühen Kino üblich war.

Filmografie