Filmvermittlung auf DVD

Luc Lagier über DVD-Boni

Auszüge aus einem Gespräch

Für mich sind die DVD-Boni eine falsche gute Idee. Auf den ersten Blick ist das toll, aber in der Auswirkung schon nicht mehr ganz so toll. Interessant ist doch, wenn man im Fernsehen zufällig auf eine 10-minütige Analyse von La Jetée stößt und sich sagt: »Den Film habe ich aber schon lange nicht mehr gesehen, das macht mir Lust, den mal wieder anzuschauen. Stimmt das überhaupt, was da alles gesagt wird? Wie interessant! Das war mir gar nicht aufgefallen!« und so fort.

Ich wende mich nicht ausschließlich an die Cinephilen. Ich möchte mich sicherlich auch an die Cinephilen wenden, aber genauso geht es mir um den Zapper, der durch Zufall auf eine Sendung, auf eine Dokumentation stößt. Das ist doch das Tolle am Fernsehen oder am Internet: Man kann gelegentlich auf eine analytische Arbeit stoßen, und zwar völlig zufällig. Das ist bei einem DVD-Bonus nicht möglich. Kein Mensch wird jemals rein zufällig die frühen Forman-Filme für 25,30 Euro mit meinen DVD-Bonus-Arbeiten kaufen. So einen Zufall gibt es nicht.

Über Geld zu sprechen, ist immer interessant, das ist konkret. Man hat mir 2.000,- Euro bezahlt, damit ich die Boni zur Panzerkreuzer Potemkin-DVD mache. Daran habe ich einen knappen Monat lang gearbeitet. Es handelt sich also keineswegs um ein Wahnsinnshonorar. Für den Godard sah das Budget ein Honorar von 7.000,- Euro vor. Das ist nicht übel. Daran habe ich drei Monate gearbeitet, aber nicht in Vollzeit. Es ist sehr wichtig, über ein Budget zu verfügen. Einen 52-Minüter für arte habe ich bisher noch nie gemacht, aber da bekommen Sie Budgets von 30.000,- Euro. Alleine für den Regisseur gibt es da 30.000,- bis 40.000,- Euro. Ich hoffe, dass sich so etwas für »Nouvelle Vague« ergeben wird. Für einen Sender wie arte hieße das aber, dass Sie auf eine andere Ebene gelangen. Im Gegensatz dazu ist die Sache mit den DVD-Boni wirtschaftlich sehr schwach. Auf der Ebene der Archivrecherche: Weitere Ausschnitte aus dem Eisenstein-Film kommen nicht in Frage, das käme zu teuer. Das ist ein großes Problem. Ich weiß nicht, wie das in Deutschland läuft, in Frankreich ist das der absolute Horror, was die Rechteinhaber an Geld verlangen. Genauso wie ich für Mindest-Autorenrechte bin, genauso bin ich gegen Autorenrechte, die einen daran hindern, Sachen zu machen.

Was die Sache mit den DVD-Editionen angeht, gibt es da ja dann doch solche Läden wie Criterion in den USA. Ich habe vor kurzem mit denen zusammengearbeitet, über Godard und Marker, übrigens auch über Kieslowski. Was toll ist an denen: Die machen eine ziemlich bemerkenswerte Herausgeber-Arbeit. Die stecken Geld in die Boni – ab einem bestimmten Punkt wird alles eine Frage der Finanzen: Man braucht Geld für die Archive und für die internationalen Rechte, denn Criterion verkauft ja weltweit. Das ist nicht der Fall bei arte, das ist nicht der Fall bei MK2. Wenn ich für die DVD-Abteilung von MK2 arbeite, dann kriege ich den Budget-Unterschied ja deutlich zu spüren – und ich rede hier vom Budget für Archivarbeit -, den Unterschied zwischen einer Edition, die nur über die Veröffentlichungsrechte für Frankreich verfügt und einer, die die weltweiten Rechte innehat. Bei Kieslowskis La double vie de Véronique beispielsweise war die finanzielle Ausstattung nicht gerade fürstlich, aber man bekam ein paar Groschen für eine richtige Archivrecherche, während man für The End of Violence von Wenders praktisch nichts mehr kriegte. Als Material stehen einem da nur noch die Bilder des Films selbst zur Verfügung, und das stellt ein Problem dar. Meiner Meinung nach braucht es mehr Material als nur den Film. Wenn ich selbst einen DVD-Bonus anschaue, dann gucke ich oft erst den Film und gleich danach die Bonus-Materialien: Meistens bekomme ich dann etwas zu sehen, was schrecklich redundant wirkt und von der Montage ärmlich. Weil: Sie haben den Film gerade gesehen, Sie sind gesättigt von Bildern. Und dann kommen die gleichen Bilder wieder. Also ist es besser, immer ein bisschen aus dem Film auszubrechen, um – das klingt ein wenig paradox – besser zu ihm zurückkehren zu können. Das ist es, was ich zum Beispiel in Marienbad vorschlage. Man beschäftigt sich mit Jugenderinnerungen, mit Fotos von den Dreharbeiten, mit Farbaufnahmen aus der Gegenwart, um sich Marienbad für eine Viertelstunde ein wenig zu entziehen, um die soeben gesehenen Bilder ein wenig zu vergessen, um erst nach einer Pause, gewissermaßen, wieder in sie einzutauchen. Vom Bonus über Vertov, den Sie gesehen haben, bin ich dagegen nicht sonderlich überzeugt. Ich denke, der Text ist nicht schlecht, ich denke, die ganze Arbeit ist aufrichtig, aber als DVD-Betrachter denke ich, dass es problematisch ist. Außerdem ist die Montage bei Vertov so eigen, so stark, so brillant, so berauschend, wenn Sie sich eine 10-minütige Bonus-Arbeit darüber anschauen, dann sind Sie schnell erschöpft. Ich glaube jedenfalls, dass das ermüdend ist. Ich denke, da liegt ein grundsätzlicher Fehler vor. Ich gehe von dem Prinzip aus, dass es nicht am Zuschauer liegt, wenn ihm meine Arbeit nicht gefällt. Wenn er nicht konzentriert ist, dann liegt das an mir. Das ist mein Prinzip. Und ich denke ernsthaft, dass das keine bloße Pose meinerseits ist, ich denke, es ist wahr: Es ist unsere Aufgabe, uns etwas auszudenken, damit wir jeden Augenblick verständlich bleiben. Und das ist wirklich Arbeit.