Cinéphilie: André S. Labarthe

Das Kino zitieren

Von André S. Labarthe (mit Jean-Luc Dirick)

Im Jahr 1992 fragte mich Isabelle Heine nach einem Text für die ausgezeichnete Revue Belge du Cinéma. Ich hatte damals kaum Zeit, noch – vielleicht – den Mut (und sicherlich keinen großen Gefallen), mich an das Verfassen eines Textes zu machen, der dem halbuniversitären Gebrauch gerecht werde, wie er damals, seit dem Durchbruch der Geistenwissenschaften in das Feld des Kinos, in Mode war. Ich bat also Jean-Luc Dirick, mein Gesprächspartner zu werden – mein Fantom! – in einer ungezwungenen Unterhaltung, aus der sich mit ein wenig Glück ein roter Faden entspinnen würde, der uns weiter leitete … wahrscheinlich nur der Teufel wissend, wohin.

Ein Thema setzte sich schließlich durch: das des Zitierens im Kino.

Von dieser Frage des Zitierens (denn es handelt sich vielmehr um eine Frage als um ein Thema) war ich schon besessen, bevor mir das Filmen – von dem ich nicht immer besessen war – es mir ermöglichte, sie auf viel radikalere Weise zu untersuchen. Aber gerade heute sucht diese Frage unaufhörlich und leise die gewöhnlichsten Fragestellungen in den wissenschaftlichen Publikationen und Colloquien heim – Was ist das Bild? Was ist der Schnitt? Was ist die Politik? Usw. usf.. Als ob die Notwendigkeit des Korpus jedes Mal verböte, weiter und tiefer zu schürfen, wo die Fragen, wo alle Fragen, herstammen.

Bazin hatte die Frage der Fragen gestellt: Was ist das Kino? Und wenn das Zitieren im Kino irgend etwas mit dieser Frage zu tun hätte? Wenn das Kino, ontologisch gesehen (um bei Bazin zu bleiben) das ist, was sich unendlich zitiert, was sich unendlich über das Zitieren verwebt? Wenn schließlich das Zitieren – das Selbst-Zitieren das wäre, ohne welches die von Bazin gestellte Frage der Fragen niemals beantwortet werden könnte?

Die folgenden Überlegungen wagen sich nicht auf diese selten begangenen Pfade, wo das fragile Geburtshaus der Brüder Lumière verwurzelt ist. Sie beschränken sich darauf, die Etappen einer Praxis zu markieren – jener von »Cinéastes …«, dann »Cinéma, de notre temps«. Von wo aus man eine andere Art und Weise ins Auge fassen könnte, die von Bazin gestellte Frage aufzugreifen. Sie sind jedenfalls ein mir ausreichender Grund, sie erneut zu publizieren, für alle, die die mit Sicherheit sehr verlockende Revue Belge du Cinéma nicht mehr auftreiben können.

Als wir 1964 begannen, eine Reihe von Filmen zu realisieren, die den großen Cinéasten gewidmet sein sollten, da sind wir wirklich als eines der ersten auf das Problem des Zitierens gestoßen. Ein Problem aus der Praxis: Wie zitiert man einen Film mitten in einem anderen? Aber auch ein theoretisches Problem: Was ist zitieren, was ist die Funktion des Zitats, welchem Regime gehorcht es? Usw.

Allgemein gesagt war der Ausgangspunkt der von uns realisierten Filme ein Gespräch mit dem Cinéasten, dem Regisseur, um das herum sich eine Reihe von Elementen gruppierte, die zum Zweck hatten, die Sätze des Cinéasten zu verstärken, zu modulieren und manchmal auch ihnen zu widersprechen. Im Großen und Ganzen kann man sagen, dass diese Gespräche – die die Form eines richtigen Interviews annehmen konnten oder auch die Form einer familiäreren Unterhaltung – diese Gespräche waren mit denen vergleichbar, die wir in den Cahiers du cinéma mit Renoir, Buñuel oder Orson Welles geführt hatten. Aber während die Interviews für die Cahiers bis auf Ausnahmen in einer einzigen Sitzung aufgezeichnet wurden, konnte die Dauer eines Treffens für »Cinéastes de notre temps« von dreißig, vierzig Minuten bis zu einigen Tagen dauern: vierzig Minuten, nicht eine mehr, mit John Ford, zwei Wochen und vielleicht mehr mit Renoir, Gance oder Melville …

Die Interviews, die wir in den Cahiers veröffentlich hatten, waren mit Standfotos der Filme und meistens mit einem Porträt des Regisseurs illustriert. Wir machten sozusagen die Arbeit, die Sie mit den Ausführungen machen werden, die Sie gerade aufnehmen: einordnen, gliedern, bebildern. Ebenso wie wir das Tonbandgerät durch eine mitlaufende Kamera ersetzt haben, ergab es sich auch ganz natürlich, die Fotos durch Filmausschnitte zu ersetzen und über das Warum und das Wie dieser Stücke von Film nachzudenken – die sicherlich die Worte des Regisseurs, mit dem wir uns unterhielten, illustrierten, aber gleichzeitig auch die Kontinuität der Worte unterbrachen, ohne je an ihre Stelle zu treten. Die Probleme begannen sich zu vervielfältigen.


Ich erinnere mich an den ersten Titel der Serie, einen Luis Buñuel, realisiert von Robert Valey. Wir waren nach Spanien gefahren, und im Innenhof eines Bistrot in Toledo nahmen wir ein langes Interview mit Buñuel auf, das die tragende Säule des Films werden sollte. Im Schnitt hat dann also Robert Valey die Worte von Don Luis mit Ausschnitten aus Viridiana, aus Der Todesengel usw. bebildert, aber als ich den fertigen Film sah – denn ich war beim Schnitt nicht dabei – wurde mir klar, dass alle zitierten Ausschnitte einfach durch andere ersetzt werden könnten, ohne dass sich ihre Funktion änderte. Das bedeutete nur, dass die Illustrationen nicht spezifisches illustrierten, sondern nur eine vage Idee gaben von diesem Buñuelschen Kino. Es handelte sich weniger um Illustrationen als um Beispiele, im dem Sinn, in dem jeder bestätigen wird: ein Beispiel hat den gleichen Wertwie ein anderes. Das war hier der Fall …


Das war nicht befriedigend. Die Bedeutung des Beispiels reichte nicht aus, um den zitierten Ausschnit in der Kontinuität des Films strukturell unersetzbar zu machen. Dafür hätte man zum Beispiel gebraucht, dass der Ausschnitt buchstabengetreu die Worte des Regissuers bebilderte. In den folgenden Produktionen haben wir die Ausschnitte häufig auf diese Art und Weise verwendet: So mit Hitchcock, der die Flugzeug-Sequenz in North by Northwest kommentiert, oder kürzlich erst mit Chabrol, der eine Plansequenz in Der Schlachter analyisert … So entdeckten wir, Stück für Stück, Film für Film, dass der Filmausschnitt mehrere Funktionen haben konnte in der Kontinuität, in den wir ihn einfügten. Er spielte ganz andere Rollen, als die Worte des Regisseurs zu illustrieren. Die Praxis der Schnitts bracht also eine Gesamtheit von Überlegungen, oder wenigstens Beobachtungen, die zum Ergebnis hatten, die Regeln in eine andere Richtung zu führen und sie zu verderben, obwohl wir mal gedacht hatten, dass sie klar seien.


Eines der Probleme, auf die ich persönlich gestoßen bin, ist das der Dauer des zitierten Ausschnitts. Mir ist nämlich sehr schnell klar geworden, dass wenn ein Ausschnitt zu lang war, der Zuschauer vom zitierten Film mitgerissen und es war extrem schwierig wurde, hin zurück an die Oberfläche dessen zu führen, was wir den »Film-über« [»Film-sur«] nannten, den Film-über-Gance, den Film-über-Leenhardt, den Film-über-Truffaut usw. Wenn wir einen Film zitierten, handelte es sich also jedes Mal darum, zu bestimmen, ab welchem Moment, am Ende von wieviel Zeit der Zuschauer sich vom Fluß des zitierten Films so weit mitnehmen lassen würde, das es quasi unmöglich wird, ihn zu halten, dass man ihn anzuschreien musste: Achtung, Sie sind nicht in einem Film von Renoir, sondern in einem über Renoir … Kurz, es geht darum den Moment zu finden, wo man das Zitat um jeden Preis unterbrechen muss und zu verhindern, dass der Zuschauer endgültig in den zitierten Film kippt. Und alle Hoffnung zu verlieren, dass man ihn wieder herausreißen kann. Alles in allem handelt es sich darum: Wo entscheidet man, den Zuschauer zu frustrieren, wie einen Jungen, dem man das Stück Kuchen wieder wegnimmt, das man ihm zum kosten gegeben hat.


Offensichtlich wäre in so einem Fall die ideale Lösung, einen Weg zu finden, auf dem der Zuschauer gleichzeitig im zitierten Film und im «Film-über» ist, das sich sein Blick auf irgendeine Art doppelt. Sein Blick und sein Bewußtsein. Es gibt verschiedene Mittel, um dies zu erreichen. Die einfachste – und oft elegante – Lösung besteht darin, in die Kontinuität des Ausschnitts eine Einstellung des Regisseurs einzufügen: als ob dieser den richtigen Ablauf des Zitats überwache. Jedenfalls so, als ob der dort dabei sei. Das ist die am häufigsten verwendete Lösung, aber es gibt auch andere. Ich könnte viele Beispiele geben. Eines zum Beispiel: Den Film, den wir Abel Gance gewidmet haben. Hubert Knapp hat ihn realisiert, aber ich war der einzige, der den Schnitt überwacht hat. Für mich war das eine bleibende Erfahrung. Ein Teil des Drehs hatte in einem Restaurants an den Ufern der Marne stattgefunden. Ein Mittagsessen, wie wir es oft mit unseren geladenen Gästen haben, in der Tradition von Renoir und den Cahiers, mit Wind in den Blättern, Besteckklappern, entfernten Rufen … Gance erzählte … er sprach von seinen Stummfilmen, von La Folie du Docteur Tube, von Mater dolorosa, von La dixième Symphonie, von der ersten Version von J'accuse, von La roue … Einige Wochen später, in den Bergen, als wir die Kopien ansahen, schien es uns offensichtlich, das man das zeigen müsse, wovon Gance sprach, vor allem die Bilder aus La Roue. Ich fügte also in den Film ein Stück aus La Roue ein. Aber das funktionierte nicht. Ich glaubte zu verstehen, warum: der Ausschnitt war zu lang. Ich habe ihn gekürzt. Das funktionierte immer noch nicht. Schließlich verstand ich, dass der Eindruck eines Bruchs beim Zuschauer nicht – oder nicht nur – durch die Länge des Ausschnitts entstand, sondern daher, dass es sich um einen Stummfilm handelte, der diesen Eindruck durch das Entstehen von so etwas wie Luftlöchern verstärkte. Der Zuschauer verlor buchstäblich den Halt. So zwang sich die Lösung auf: sie musste folglich gewichtiger werden. Es reichte aus, dass unter dem Ausschnitt die Atmo des Essens weiterlief, mit ihrem Besteckklappern, so als ob sich plötzlich zwei Universen daran machten, zu koexistieren. Zwei Universen, zwei Epochen, die der Zuschauer mit einem Blick erfassen konnte. Der Zuschauer war zugleich in einem Film von Gance und in einem Film über Gance. Ich muss sagen, dass ich an diesem Tag etwas verstanden habe über das Problem des Zitats. Vom Zitat zum Kino.

Etwas später, als wir über die dem zitierten Fragment eigene Natur nachdachten, seine fotografische Natur, so wie sie Bazin in der Ontologie des fotografischen Bildes definiert hatte, haben wir entdeckt, dass das Zitieren unvermutet passieren konnte, ohne das es als solches erkennbar wird. Und dass ich zum Beispiel in den Schnitt eines Film über Godard ein, zwei oder drei Bilder aus Filmen von Godard einfügen konnte, auf die gleiche Art und Weise, wie ich den Satz, den ich gerade sage, weitersprechen kann, in dem ich ein von Balzac oder Flaubert entnommenens Satzfragment anfüge. Es genügt dafür, die Anführungszeichen weg zu lassen, die gewöhnlicherweise signalieren, dass wir das Territorium wechseln, Anführungszeichen, die es übrigens in der gesprochenen Sprache nicht gibt. Kurz, wir haben kapiert, dass es eine Menge Filme gibt, die wir solcherart hinterhältig zitieren konnten: nennen wir auf die Schnelle jene, die am wenigsten von den Wächtern der Ästhetik durchgearbeitet waren, zum Beispiel die Filme von Renoir, die ersten Godards usw., das was wir das Kino von Lumière nennen könnten.


Mit dieser Eigenschaft des fotografischen Bildes zu experimentieren, das war gewissermaßen zu beweisen, dass das kinematografische Bild ontologisch – wie Bazin sagt – ein Bild ohne Besitzer ist. Man ahnt, dass eine solche Behauptung, von der wir experimentierend die Grenzen erforschten, neu geschärft auch den Sinn von seit langem stereotypen Formeln in Frage ziehen wird, Formeln wie »Das Kino, eine volkstümliche Kunst« oder als Gegenteil und leicht hermetischer solche wie der provozierende Befehl Lautréamonts: »Die Posie muss von allen gemacht werden, nicht von einem allein«. Lautréamont, daran erinneren ich nebenbei, der der erste war, der die Bedeutung des Plagiats neu überdacht hat. Es ist sicher, das alles, was wir dort zum Thema der Natur des kinematografischen Bildes sagen, dass all diese Geschichten von Anführungszeichen, von Zitaten, über die wir während all der Jahre debattiert haben, wenn es einen gibt, der davon von all dem eine Ahnung hatte, dann war das Lautréamont. Merkwürdig, das niemand sich mehr für dieses … abgekartete Spiel interessiert, während soviel über das Verhältnis von Maupassant und dem Kino geschrieben wurde! Aber gegen wir weiter.


Wir verbrachten also in unserem Schnittraum einige Zeit und beobachteten, was passiert, wenn man ein Stück Film zwischen zwei Stücken Film einfügt, bekannt dafür, aus einer anderen Kontinuität zu stammen. Wir beobachteten eine sonderbare Physik des Schnitts. Zum Beispiel wie zwischen zwei Einstellungen oder zwei Serien von Einstellungen unterschiedlicher Herkunft sich ein System kommunizierender Röhren entspann, deren Ebenen wir kontrollieren und oft auch modifizieren konnten. Es war also möglich, Anordnungen zu erschaffen, ein Spiel von Schikanen, die ein anderes, eine freieres Strömen erlaubten. Um es zu präzisieren: Da die Bedeutung sehr wohl vom Zuschauer produziert wird, beschränkt sich der Filmregisseur darauf, den Zuschauer mit Elementen zu versorgen, die jenem erlauben, die Bedeutung herzustellen. Aber selbstverständlich so, dass er nicht eine beliebige Bedeutung herstellen kann.


Ich würde gerne noch ein anderes Beispiel geben, was das Zitieren im Kino heißen kann. 1965 oder 1966 habe ich in Montréal ein ziemlich langes Gespräch mit Norman McLaren aufgezeichnet. Einige Jahre später, als ich die entwickelten Negative schaute, stellt ich mich einem ganz und gar nebensächlichen Problem. Ich wollte aus dem Bild die Präsenz des Gesprächspartners von McLaren eliminieren, einem Herrn, der sich Cotté nannte und der Direktor der Kinemathek von Montréal war. Dazu gab es nur ein Mittel, abgesehen von einer extrem kostspieligen Trickaufnahme in einem Kopierwerk: Auf die Videotechnik zurückzugreifen und eine Maske zu verwenden, die die Anwesenheit Cottés verbirgt, sobald ein leichter Zoom nach hinten ihn in das Bild einführt. Dann fragte ich mich, die Idee weiterdenkend: warum benutzen wir nicht auch diese Maske, um Filmausschnitte selbst eingreifen zu lassen und so ein doppeltes Bild zu bekommen, wo man McLaren sprechend sah und in einer andere Ecke das Bild von Stücken seiner Filme? Und noch weiterdenkend sagte ich mir: Wenn doch viele seiner Filme eine Art animierter Hintergründe waren, ein quasi abstrakter Grund, warum nicht ein Stück der Bildoberfläche zitieren? Im Raum schneiden, wie wir bisher nur in der Dauer geschnitten haben. Kurz, eine Art Muster des Kinos von McLaren zu zeigen, in dem Sinn in dem man von Stoffmustern spricht. Wenn wir so diese ungewöhnliche Art des Zitierens als legitim betrachten, werden alle Kombinations des Bildes möglich. Die beiden extremen Vorschläge könnte man folgendermaßen schematisieren:

Sie sehen wie das Nachdenken, wenn sie die Praxis begleitet, helfen kann, ein so winziges Probleme wie das des Zitats zu verstehen. Illustration, Beispiel, Muster, jeder Begriff, den man benutzt, um der Bedeutung dieser Konzepts näher zu kommen, klärt einen seiner Aspekte auf. Aber erschöpft nicht das Feld seiner Anwendung.


»Cineastes de notre temps« gab es nur bis 1971. Das Problem des Zitieren verschwand dennoch nicht. Und als wir fast zwanzig Jahre später, auf Initiative von La Sept, die Reihe und dem Titel »Cinéma, de notre temps« wieder auf nahmen, fanden wir uns einmal mehr dem Problem des Zitieren gegenüber.


Während der zwanzig Jahre hatte sich die Landschaft verändert. Das Entstehen von Länderkinos hatte die Gleichtung »Kino = Hollywood« relativiert. Das Kino selbst war ein Sonderfall geworden, eine begrenzter Bereich des gigantischen audio-visuellen Spinnennetzes, das wir heute kennen. Auch die Art und Weise, Kino zu konsumieren, hatte sich diversifiziert. Es reicht aus, den Niedergang der Besucherzahlen in den Kinos zu betrachten und zu analysieren: Wir sehen nicht weniger Filme, wir sehen sie auf andere Arten. Das Fernsehen, die Videokasseten haben nicht nur unsere Formen des Kinokonsums, sie haben gleichermaßen unsere Wahrnehmung der Filme verändert. Wir müssen dieser Entwicklung Rechnung tragen. Und uns darüber klar werden.

Bis dahin war das Zitieren eines Film, bis auf einige seltene Ausnahmen, dem Film den Platz auf der ganzen Oberfläche der Leinwand zu lassen. Oder des Fernsehers, wobei der Fernseher der Kinoleinwand gleichgesetzt wurde. Heute kann »einen Film zitieren« auch heißen, die Art und Weise zu zitieren, in der dieser Film gesehen wird. In einigen jüngsten Filmen, die wir für »Cinéma, de notre temps« gedreht haben, wie den David Lynch von Guy Girard, oder den Chabrol oder den Scorsese, bei dem ich die Realisierung übernommen hatte, werden die Ausschnitte der zitierten Filme in den Monitoren gezeigt, das heißt gerahmt von Holz oder dem Plastik, das den Bildschirm umgibt. Diese Rahmung des Schirms (es wäre interessant, deren Entwicklung einmal nachzuzeichnen) bleibt nicht ohne Folgen. Zum einen stellt sie dort wieder einen Rahmen hin, wo – wie Bazin gezeigt hat – das Kino eine Maske zu sehen wusste. Zum anderen trägt die Rahmung dazu bei, die Faszination, die das Bild auslöst, zu verringen, und zwar wegen der Begleitumstände beim Gebrauch des Fernsehens, die Beleuchtung im Zimmer, die Präsenz gewohnter Dinge, Unterhaltungen usw. Das Fernsehbild füllt nur einen Teil des Raumes aus, in dem sich unsere Wahrnehmung bewegt. Der Film ist quasi verseucht von den Dingen, die den Fernsehen umgeben. Er wird, oder tendiert dahin, selbst ein Objekt zu werden, ein Objekt unter anderen. Auf eine gewisse Art wird er ein zitierter Film. Was meiner Meinung nach mit dem übereinstimmt, was wir spären, wenn wir einen Film im Fernsehen sehen. Wir sehen einen zitierten Film, eine schon gesehenen, bekannten Film, einen Film, den man nicht aufmerksam schauen muss, denn er ist schon betrachtet. Als ob ich nur deshalb dort vor meinem Fernseher würde, um zu überprüfen, ob der Film auch richtig angeschaut wird! Einen Filmausschnitt auf einem selbst gezeigten Monitor zu zeigen, wie wir es in den Films über Scorses, Chabrol oder Lynch gemacht haben, das war auf eine Art wie das Einfügen von Anführungszeichen, das Markierung der räumlichen Grenzen des Zitats. Das Holz des Fernsehers wurde das Äquivalent der Anführungszeichen, oder das Übergang ins Kursive. Ich hoffe, Sie unterstreichen das Wort, damit es dann kursiv gedruckt wird …


Heute weiß ich, dass es viele Weisen gibt, das Problem des Zitierens im Kino anzugehen. Es ist nicht immer notwendig, in die Zusammenstellung eines Films ein Fragment des Werkes einzufügen, das man zitieren möchte. Man kann stattdessen auch – beispielsweise – einen Entwurf, eine Art maßstabsreduziertes Modell zeigen. Ein bisschen so wie ein kleiner Eiffelturm aus Pappe als Zitat des Eiffelturms dienen kann, den jeder kennt. Dieses Verfahren habe ich im Chabrol benutzt, wo wir die Tonspur der Schwimmbadszene aus Die Unbefriedigten nachgestellt haben; das reichte aus, um Chabrols Ausführungen dazu zu illustrieren. Um das Kino Orson Welles’ oder, genauer, seinen kinematographischen Stil zu zitieren, hatte ich in dem Film, den ich ihm gewidmet habe – L’Homme qui a vu l’homme qui a vu l’ours – habe ich nur sehr wenig auf Ausschnitte aus seinen Filmen zurückgegriffen. Aber durch die Art zu filmen, zu kadrieren, zu beleuchten glaube ich ist Welles’ Stil da, zugleich als Objekt und als Subjekt …

Gut, soweit bin ich heute gekommen. Und mir fällt auf, dass ich kaum über den Ton gesprochen habe, was nochmals andere Gedanken und andere Erfahrungen mit sich bringen würde. Ja, der Ton und die Stimme … ein anderes Mal vielleicht?

(Übersetzung: Erik Stein)

Wir danken André S. Labarthe und Bruno Chibane von »Limelight«-Editions, Strasbourg, für die Genehmigung zur Übersetzung und zum Abdruck des Texts.