Filmvermittlung auf DVD

Die Verleger

Gespräch mit Vincent Paul-Boncour und Victor Moisan von »Carlotta«

Am 16. Juni 2008 besuchte eine Delegation von »Kunst der Vermittlung« den Filmverleih und DVD-Produzenten Carlotta in Paris. Es fragten Volker Pantenburg, Stefan Pethke und Erik Stein. Antworten gaben Carlotta-Geschäftsführer Paul Vincent Boncour und sein Assistent Victor Moisan.

So sind wir auf Carlotta gekommen: Natürlich haben wir uns für Leute wie Jean Douchet interessiert, beispielsweise für seine Reihe »Image par image« aus den 80er Jahren. Oder für Bernard Eisenschitz. In Berlin gibt es einen sehr cinephilen Mitarbeiter einer großen Stadtbibliothek, der kauft alles an, was es auf dem Markt gibt. Der Mann heißt Peter Delin. Er führt auch ein Blog, das heißt DVD Biblog. Dort kommentiert er alle DVDs, die er findet. Häufig gibt er dazu Detailinformationen, die man vergebens auf den DVDs selber sucht! Der guckt die wirklich alle durch! Delin ist es also zu verdanken, dass wir einige Carlotta-DVDs kennenlernen konnten, auch wenn wir nur einen Bruchteil des Carlotta-Katalogs gesichtet haben: etwa die Lubitsch-DVD; oder »Vanités« (»Eitelkeiten«), eine Analyse von Jean Douchet über »L'Affaire Ciceron« (»Five Fingers«) von Mankiewicz; darüber hinaus kennen wir nicht mehr als zwei, drei weitere DVD-Bonus-Arbeiten von Carlotta. [1]

[1]DVD-Biblog

Mit den Leuten, die Sie erwähnten, arbeiten wir von Zeit zu Zeit zusammen, mit manchen sogar regelmäßig, vor allem im Zusammenhang mit DVD-Boni.

Wie funktioniert das? Es ist ja durchaus nicht selbstverständlich, an solche Cinephilie-Stars heranzukommen.

Genau das war aber von Anfang an der Plan: die Arbeit am Informationsträger DVD im Hinblick auf die Cinephilie zu gestalten. Das ist uns wirklich wichtig. Wenn wir Filme von Mankiewicz herausbringen, oder von Pasolini, von Fassbinder (wir haben praktisch den gesamten Fassbinder herausgebracht), dann in einem verlegerischen Zusammenhang: Zunächst hat der Film als solcher vollkommene Priorität. Der Film zuerst, in der bestmöglichen Qualität, bezogen auf das Mastering, die Kopienqualität, die Tonqualität, die Qualität der französischen Untertitel – viele Filme haben sehr dürftige oder überhaupt keine. Nehmen wir die Filme von Douglas Sirk, Filme aus den 50ern, seine großen Melodramen, die wir im letzten Jahr begonnen haben, herauszugeben und womit wir dieses Jahr fortfahren: Wir hatten lediglich alte Untertitelungslisten zu unserer Verfügung, die den Dialogen nicht gerecht werden. Denn vor 20 Jahren hat man nicht dieselbe Auffassung von Untertitelungen gehabt wie heute. Die mussten wir komplett neu erstellen! Das ist ein Aspekt. Gleichzeitig ist es unser Bestreben, die Arbeit eines Regisseurs möglichst umfassend zu würdigen, am besten das Gesamtwerk herauszubringen oder doch mindestens eine gewisse Anzahl seiner Filme, und das tun wir auch regelmäßig. Wir wollen also eine verlegerische Arbeit abliefern um Filme oder Regisseure herum, mit Bonus-Material und allen anderen Extras: wir recherchieren in Archiven, suchen nach bereits existierenden Dokumentarfilmen, nach Archivbildern, produzieren aber auch selbst neue Dokumentarfilme – das geht von Filmanalysen, wie sie beispielsweise Jean Douchet macht, bis zu Interviews, zum Beispiel mit Bernard Eisenschitz zu Fritz Langs Film Les bourreaux meurent aussi (Hangmen also die); es geht also um die Zeugenschaft durch anerkannte Experten –, auch suchen wir nach Menschen, die am jeweiligen Film mitgearbeitet haben: Schauspieler, Regisseur (wenn er noch lebt) usw. Vor allem versuchen wir immer, uns einen eigenen Standpunkt und präzise Fragestellungen zu erarbeiten. Immer haben wir den Cinephilen im Blick, den Verbraucher: Was verlangt der von einer DVD? Was möchte der von uns behandelt wissen? Auch geht es darum, einen kompletten Ansatz um den Filmemacher herum zu entwickeln, einen politischen, sozialen und auch einen kinematographischen. Wir bekommen es häufig mit recht engagierten Filmemachern zu tun: Pasolini, Fassbinder, vor kurzem Oshima, Yoshida. Wir nehmen uns keineswegs von vornherein vor, dieses Engagement zum zentralen Thema zu machen, aber ob wir wollen oder nicht, es bleibt ein gemeinsamer Punkt. Jedenfalls schreiben wir auf diese Weise unsere Arbeit nochmals auf der DVD ein.

Es gibt bei Ihnen auch die Vorstellung, Filme ins Kino zu bringen, nicht wahr?

Absolut! Wir sind zunächst einmal ein Filmverleih für die Kinos. Wir haben Carlotta vor zehn Jahren gegründet. Ein paar Jahre später haben wir unser Kinoengagement mit der Veröffentlichung von DVDs ausgebaut und weitergeführt. Oft machen wir beides zusammen: ein und denselben Titel erst im Kino, danach auf DVD auswerten; Entdeckungen machen, neue Sehnsüchte wecken, mit diversen Klassikern Neustarts schaffen. Das ist das Modell: diesen Filmen zunächst eine Existenz, ein neues Leben im Kino verschaffen, in Paris, in der Provinz, natürlich im Verbund der Arthaus-Kinos; anschließend dieselben Filme auf DVD herausgeben, mit verstärktem verlegerischen, cinephilen Ansatz, wie man es für einen Kinostart gar nicht machen kann, u.a. über die Bonusgestaltung mit Dokumentarfilm und anderen Zusatzfeatures. Auf diesen verlegerischen Aspekt legen wir großen Wert. Wir sagen das immer wieder: Wir wollen DVDs verlegen wie andere Bücher verlegen. Das betrifft auch den ästhetischen Aspekt unserer Tätigkeit, zum Beispiel das Packaging, die äußere Gestaltung (DVD-Hülle, Booklet, Aufdruck auf der Disk selbst etc.): es geht um die Werthaltigkeit des Gegenstands DVD an sich. So sieht ungefähr unsere tägliche Arbeit aus.

Uns ist aufgefallen, dass Sie einer Generation junger Cinephiler angehören und trotzdem systematisch auf die erste und zweite Generation der Cahiers-du-Cinéma-Autoren zurückgreifen.

Ja, aber dabei lassen wir es nicht bewenden, sondern wir versuchen auch, uns Historikern und Kritikern der jüngeren Generation zuzuwenden. Das Feld ist weit. Das ist Bestandteil der französischen Cinephilie. Es gibt eine Filmgeschichte und es gibt auch eine Geschichte der Cinephilie und beides ist natürlich auf eine gewisse Weise verbunden. Ich glaube nicht, dass wir bei unseren Bonus-Materialien nur auf einen bestimmten Personenkreis beschränkt bleiben. Wir versuchen ja regelmäßig, eine internationale Perspektive einzunehmen. Ein Beispiel: Ozon über Douglas Sirk, über Tous ce que le ciel permet (All that Heaven allows), aus dem Fassbinder Tous les autres s'appellent Ali (Angst essen Seele auf) entwickelte. Wir hatten bereits über Fassbinder eine Zusammenarbeit mit Ozon angeregt, wir hatten ihn angefragt für Bonus-Arbeiten zum Fassbinder-Werk, weil wir wissen, dass Ozon für sich beansprucht, diesem Werk sehr nahe zu stehen. Doch einfach nur klassisch interviewt zu werden, interessierte Ozon nicht. Dafür machte er damals originelle Vorschläge, über die Frauenfiguren bei Fassbinder arbeiten zu wollen und am Schneidetisch Szenen aus Fassbinder-Filmen mit solchen aus Sirk-Filmen zu mischen. Nur dass wir damals die Rechte an den Sirk-Filmen nicht besaßen, also konnten wir das Projekt nicht realisieren. Als wir später diese Rechte erworben haben, haben wir das wieder aufgegriffen. Da sind wir das Projekt neu angegangen. Daraus ist dann dieser Montage-Film entstanden, der beide Filme mischt: eine schöne Arbeit an Schnitt, Ton und Bild, die aufzeigen kann, was die Regisseure in den einzelnen Szenen gemacht haben. Das ist gemacht wie man einen Remix in der Musik macht. Ozon nennt das genau so: einen Film-Remix. Das Ergebnis ist ergreifend, weil es sein eigener Film wird, ein neuer 25-minütiger Film, der das alles mischt und das ist doch erstaunlich. Das hat uns noch einmal auf eine weitere mögliche Ausrichtung in unserer Arbeit hingewiesen, eine, die im Bonus-Bereich nicht so oft praktiziert wird: der rein künstlerische Schöpfungsakt mit einem Filmemacher. Das ist in der Umsetzung gar nicht so einfach, denn dazu braucht man Leute, die empfänglich sind für das Werk von bestimmten Filmemachern, für bestimmte Filme und für diese bestimmte Art von Projekt. Das war mit Ozon der Fall. Außerdem gehört Ozon eben genau der jüngeren Generation von Cinephilen und Filmemachern an und es war faszinierend und aufregend, mit ihm gemeinsam diesen Ansatz zu verfolgen. Was wir auch häufig machen, ist, andere Filmemacher zu einem Film oder zu einem Werk zu interviewen. Wir versuchen, unser Arbeitsfeld abwechslungsreich zu gestalten, auch was unsere Gesprächspartner betrifft, auch wenn wir mit einigen von ihnen regelmäßig zusammen arbeiten. An jemandem wie Jean Douchet kommt man einfach nicht vorbei, mit dem machen wir zwei, drei Bonus-Produktionen pro Jahr. Zuletzt hat er über Oshimas Les plaisirs de la chair (The Pleasures of the Flesh) eine wirklich sehr schöne 20-minütige Filmanalyse gemacht. Wir versuchen dabei, jedes Mal einen unterschiedlichen Standpunkt einzunehmen, einen neuen verlegerischen Aufhänger, in Entsprechung zum Film, zum Konzept der DVD und auch zu den anderen Bonus-Materialien.

Hatten Sie eigentlich Vorbilder aus der Zeit vor der DVD?

Da gab es ja nicht viel, das hatte ja nicht den gleichen Bezug zum Kino.

Richtig, niemand wollte eine VHS mit Bonus-Material kaufen.

Mit oder ohne Bonus-Material: Man hat doch kaum VHS-Kassetten gekauft! Die waren schon mal zu teuer! Aber darüber kann Jean Douchet mehr erzählen: Die Sachen, die auf VHS gemacht wurden, standen eher in einem Bildungszusammenhang.

Beim CNDP?

Genau: Da gab es das CNDP, alle möglichen schulischen Einrichtungen, sei es auf nationaler, sei es auf regionaler Ebene. Ich weiß, dass Douchet z.B. eine Arbeit über M – le Maudit (M – Eine Stadt sucht einen Mörder) auf VHS gemacht hat.

Ja, entweder im Rahmen dieser Reihe namens »Image par image« oder der Reihe »Magi(e)mages«.

Genau. Aber das war öffentlich überhaupt nicht zugänglich, das war wirklich ausschließlich für Lehrer gedacht und für die entsprechenden Einrichtungen in den Départements. Aber es wurden Sachen gemacht, die gibt es. Und man könnte schon sagen, dass Douchets Ansatz dann auf die DVD angewandt worden ist, mit einer stärkeren Betonung der Schnittmöglichkeiten und eben mit einer Öffnung in Richtung cinephile Kundschaft, in Richtung Verbraucher allgemein. Dabei haben solche Analysen auch auf DVD ihre Eigenschaft als nützliche Werkzeuge für den Einsatz im Schulunterricht beibehalten.

Ihnen ist diese Tradition der bildungsorientierten Arbeiten also bekannt gewesen?

Ja, durchaus, denn im Rahmen unserer Arbeit haben wir von Anfang an auch den Anschluss an diesen Kulturerbe-Ansatz gesucht. Wir haben spezielle Maßnahmen für ein jugendliches Publikum ersonnen, mit jährlich mehreren Terminen, anlässlich derer wir große Klassiker, von den 50ern bis heute, in die Kinos bringen für ein jugendliches und für ein Familienpublikum usw. Dafür wurde dann jedes Mal eine spezifische Kinoarbeit gemacht, wurden pädagogische Hefte erstellt, mit Leitfragen für die Analyse usw. L'Incompris (Incompreso) von Comencini wäre so ein Beispiel: Den haben wir für alle neu herausgebracht, für die Studenten, für die Cinephilen. Aber wir haben dafür auch ein pädagogisches Programm entwickelt, gemeinsam mit den Kinobetreibern und den Schullehrern, das es erlaubt, den Film in der Schule durchzunehmen. Diesen Ansatz haben wir bei Carlotta also von Anfang an verfolgt, seit wir im Verleihgeschäft sind. Da ist es nur logisch, dass der sich auf die eine oder andere Weise, direkt oder indirekt, in unserer DVD-Arbeit widerspiegelt. Trotzdem passen wir uns jedes Mal neu an den jeweiligen Film an, an die unterschiedlichen Arten von Publikum, die wir ansprechen wollen. Das allgemeine Ziel bleibt das gleiche, ob gegenüber Schülern oder gegenüber dem großen Publikum: Wir wollen nachhaltig wirken. Das versuchen wir, aus unserer Verleihpolitik heraus zu entwickeln und vielleicht noch ein wenig stärker mit unseren DVDs, mit ganz bestimmten Filmen und eben auch mit unserem Bonus-Material.

Wie funktioniert die Zusammenarbeit mit Jean Douchet? Zunächst wird es eine Filmauswahl geben, dann vielleicht die Idee, Douchet könnte eine Analyse dazu machen, evtl. mit der Einschränkung, dass er dazu 20 Minuten zur Verfügung hat. Davon abgesehen hat er bei Ihnen, nehmen wir an, ziemlich freie Hand, oder?

Bei der Herstellung von Bonus-Materialien arbeiten wir mit einer anderen Firma zusammen, Allerton Films. Allertons Name findet sich auch in den allermeisten unserer Vor- und Abspänne. Die eigentliche Arbeit wird zwischen Douchet, dem Regisseur und dem Cutter geregelt. Und natürlich hat Douchet da seine Entscheidungsfreiheit, da halten wir ihm den Rücken frei. Er trägt mehr als nur ein paar kleine Ideen bei, aber die Filmauswahl kommt von uns. Auch schlagen wir interessante Unterthemen vor, immer vor dem Hintergrund, dass wir Wiederholungen vermeiden wollen, Standardisierungen im Ansatz, in der Erzählweise usw. Wir suchen immer nach neuen Angelpunkten. Es ist wichtig, Ähnlichkeiten zu anderen Bonus-Materialien im allgemeinen zu vermeiden, aber auch im Hinblick auf die anderen Beiträge zum selben Film. Man muss eine volle Synergie aller Bonus-Bestandteile einer DVD erreichen, nur so schafft man wirklich ein zusätzliches Angebot und eine Abgrenzung auch zu den anderen Modulen auf der gleichen DVD.

Das ist die klassische Herausforderung des Verlegers, unabhängig vom Gegenstand DVD.

Vollkommen richtig, da ist es egal, ob man eine Filmzeitschrift oder was auch immer herausgibt. Wir sind Verleger von Filmen bzw. von filmischen Gesamtwerken.

Wie funktioniert Ihre Arbeit auf der logistischen Ebene? Die Frage ist gar nicht so sehr auf das Finanzielle gemünzt, eher auf Zeitökonomien der einzelnen Produktionen usw.

Das ist sehr, sehr unterschiedlich. Wir passen uns an die jeweiligen Filme an. Einige unserer Filme vertragen nur wenig Bonus-Material, das hängt ab vom Film und vom Zielpublikum. Andererseits, um das Beispiel unser derzeit größten Baustelle zu bemühen, der Reihe mit den großen Melodramen Douglas Sirks, die wir im letzten Jahr begonnen haben: bisher haben wir es auf vier Titel gebracht und jeder dieser vier Titel wird sein eigenes Bonus-Material bekommen, d.h. pro Titel eine Doppel-DVD: einmal der Film an sich, einmal die Bonus-DVD. Das Ziel bei jedem der vier Filme ist es, in sich kohärente Bonus-Materialien abzuliefern, die sich nicht gegenseitig wiederholen, trotz eines roten Fadens, der sich dadurch ergeben wird, dass Jean-Loup Bourget durch alle vier Filme als Moderator führen wird, durchaus mit Themen, die sich von DVD zu DVD, d.h. von Film zu Film wiederfinden lassen. Das bedeutet monatelange Arbeit. Vor allem deshalb, weil wir eben wirklich versuchen, jede Art von Formatierung zu vermeiden. Es ist nicht unser Ansatz, dass sich die DVDs ähneln sollen, dass z.B. das Menü immer gleich aussieht usw. Wir gestalten, indem wir das Heterogene betonen. Das Gewicht der Begleitmaterialien hängt natürlich auch von der filmgeschichtlichen Bedeutung des Films ab und auch von seiner Sichtbarkeit. Wenn wir einen unbekannten Film herausgeben oder einen Film, der nur schwer historisch einzuordnen ist, dann müssen wir unsere Anstrengungen im Hinblick auf das Begleitmaterial verdoppeln. Wir denken auch schnell an die Option, ganze Boxen herauszubringen: Bei Sirk haben wir vier Filme auf einmal veröffentlicht. Auf diese Weise schafft man ein wesentlich stärkeres Ereignis als in diesen über Jahre hinweg sich Schritt für Schritt aufbauenden Reihen. Mit den Noir-Filmen handhaben wir das beispielsweise so: Wir bringen drei bis vier Noir-Filme pro Jahr heraus, da kommt auf die Dauer einiges zusammen.

Manchmal existieren von einem Film zwei Versionen. Einige Firmen bringen dann erst einmal die eine Version auf DVD heraus und später dann die zweite Version auf einer neuen DVD. Das scheint uns aber ganz und gar nicht Ihr Ansatz zu sein, oder?

Ich weiß nicht, ob uns so etwas schon einmal passiert ist, aber das könnte schon noch vorkommen: dass wir mehrere Titel in einer Sammler-Edition herausbringen und nach einigen Jahren dann einzelne dieser Filme noch einmal in einer Single-Edition erscheinen. Aber das wäre nicht unser systematischer Ansatz. Was wir vielmehr versuchen, ist, von Anfang an eine Referenz-Veröffentlichung anzustreben und dieses Niveau bei Anschlussveröffentlichungen beizubehalten!

Sozusagen La Pléiade für DVDs werden!

Das können nur die Anderen über uns sagen! Wenn wir das über uns selbst behaupten würden, das wäre schon ziemlich anmaßend! Eins ist klar: Die Cinephilie ist heute breit gestreut: es kann jemand cinephil sein, der einmal im Monat ins Kino geht oder einmal am Tag oder häufiger. Es gibt jetzt eben eine neue Cinephilie, die sich mit der DVD herausbildet. Es gibt Leute, die bleiben einfach zuhause und gucken dort die ganze Zeit DVDs: Das sind DVD-phile. Cinephilie kennt heutzutage eben viele Formen! Sie geht nicht mehr zwangsläufig ins Kino oder jedenfalls nicht mehr ausschließlich, genauso wenig wie sie ausschließlich DVDs guckt. Das ist alles breiter geworden. Wir sprachen vorhin über Vermittlung: Was wir probieren, ist, Filmgeschichte und Filme zu vermitteln, und zwar sowohl jenen Menschen, die die Filme schon kennen und sie lange nicht mehr gesehen haben, als auch jenem neuen Publikum, das die Filme noch nicht kennt, das vielleicht einmal von ihnen gehört hat. Wir möchten alle Menschen dazu bringen, einen bestimmten Filmemacher oder bestimmte Filme zu entdecken, auf die eine oder andere Weise, unabhängig vom Trägermaterial. Wir möchten diesen Leuten Lust machen darauf, in Filmographien einzutauchen, in Genres. Das kann man per DVD erreichen, mit Kinovorführungen, mit Büchern, mit allem, was man will. Man muss nur extrem auf Qualität achten, in allen Arbeitsfeldern. Wir haben das von Beginn an versucht und wir sind auch davon überzeugt, dass wir in der richtigen Richtung unterwegs sind, in diesem zuletzt etwas heikler gewordenen DVD-Markt, denn wir haben den Eindruck, dass die Cinephilie im allgemeinen anspruchsvoller geworden ist. Die neuen Cinephilen sind u.a. technisch anspruchsvoller, anspruchsvoller auch im Hinblick auf die gesamte Umgebung eines Films. Wir haben daran ein Interesse, a) weil wir selber Cinephile sind; und b) weil wir uns auf diese Weise neue Zielgruppen erschließen können. Um auf die Eingangsfrage zurückzukommen: Die Arbeit an einer DVD dauert zwischen drei und sechs Monate, das hängt von den einzelnen Filmen ab, das kann sehr unterschiedlich ausfallen. Wir arbeiten immer parallel an mehreren Projekten, in jeder Hinsicht. Es gibt Methodenunterschiede. Aber wir hier im Büro werden uns niemals auf eine Veröffentlichung konzentrieren können und drei Monate lang nichts anderes tun. Wir arbeiten gleichzeitig am Sirk und an Berlin-Alexanderplatz, zum Beispiel, auf verschiedenen Ebenen, das geht von der künstlerischen Konzeption, von der Entscheidung über Bonus-Inhalte bis zu den technischen Dingen bei der DVD-Herstellung, bis zu Fragen der Covergestaltung, des Vertriebs, der Werbung und Öffentlichkeitsarbeit – all jene Etappen, die bis zum Tag X zurückgelegt werden müssen, an dem das interessierte Publikum und all die potentiell neuen Zielgruppen von der Existenz des betreffenden Films erfahren. Nur weil ein Film alt ist, muss er sich noch lange nicht sein Recht darauf absprechen lassen, wie ein neuer Film behandelt und angeschaut zu werden. Zumindest im Arthaus-Bereich muss man das nicht trennen. Was die Zahlen anbelangt, sind wir flexibel: Wir sind ein Unternehmen, also müssen wir Rentabilitätsüberlegungen im Blick behalten. Wir stimmen unsere Budgets auf sämtliche Produktionsschritte ab, vom voraussichtlichen konzeptionellen Aufwand bis zu den potentiellen Verkäufen, die wir uns vorstellen, bis zur konkreten Umsetzung. Wir arbeiten auch mit Ausrichtung auf mittel- bis langfristige Umsätze. Bei einem Film, der sich von Anfang an schlecht verkauft, ist das schwierig. Aber bei einem alten Film, der gut geht, ist perspektivische Arbeit besonders wichtig und auch viel logischer als bei einem neuen Film.

Aber die Rechte sind doch zeitlich begrenzt?

Natürlich, aber sie sind es auf fünf bis zehn Jahre. Da hat man genug Zeit für perspektivisches Arbeiten! Auch wenn fünf Jahre schnell vergehen! Aber das ist schon mal eine solide Grundlage. Außerdem können Rechte ja auch verlängert werden. Also, einige unserer Filme haben wir schon ganz schön lange!

Gibt es so etwas wie eine durchschnittliche Auflage?

Naja, man braucht schon zwei- bis dreitausend Einheiten im Schnitt, um überhaupt ein Publikum zu erreichen. Von Zeit zu Zeit kann man drunter bleiben, aber das wird dann schon sehr diskret. Die Verkaufszahlen hängen auch sehr stark von der konkreten Umsetzung ab.

Sie bleiben auch auf französische Untertitelungen beschränkt, oder? Das ist auch eine Geldfrage, nicht?

Das ist keine Geldfrage, sondern eine Gebietsfrage. Wir kaufen die Rechte für Frankreich. Unser Gebiet ist Frankreich und andere frankophone Länder: das kann die Schweiz sein oder Belgien usw.

Auch das französischsprachige Kanada?

Nein, das französischsprachige Kanada wird Nordamerika zugeschlagen. Um diese Rechte bemühen wir uns noch nicht einmal, die werden meistens von der selben Person gehalten, die die Rechte für die USA inne hat.

Und das frankophone Afrika ist für Sie wahrscheinlich gar kein Markt?

Das ist jedenfalls ein Markt, den wir nicht kennen, jedenfalls nicht den legalen Markt...! Aber wie gesagt: Wir arbeiten im Wesentlichen in Frankreich. Ein kleines bisschen Umsatz kommt noch aus Belgien und der französischsprachigen Schweiz. Aus vertraglichen Gründen haben wir meistens nur die Rechte an den jeweiligen französischen Fassungen bzw. an den Fassungen mit französischen Untertiteln. Wir dürfen beispielsweise bei einem italienischen Film, den wir erwerben, keine englischen Untertitel hinzufügen. Das würde ja signalisieren, dass der Film für den Export bestimmt wäre. Das sehen unsere Verträge nicht vor, und das ist auch normal, denn nur so können die Rechteinhaber ihre Rechte in ihren jeweiligen Territorien überhaupt ausüben. Es kann nicht darum gehen, den englischen Herausgeber des italienischen Films zu belasten mit Verkäufen aus dem nicht-englischen Ausland. So etwas soll ja gerade ausgeschlossen werden.

Kaufen Sie Bonus-Material auch manchmal außerhalb Frankreichs, so dass Sie dafür noch französische Untertitel herstellen müssen?

Das kommt häufig vor, praktisch die ganze Zeit!

Vorhin sprachen Sie von dem japanischen Experten.

Das bezog sich aber auf Bonus-Material, das wir selbst produziert hatten, wo wir selbst gefilmt und geschnitten haben.

Stimmt, man muss die Einkäufe von den Eigenproduktionen unterscheiden!

Was es schon einmal gibt, sind die zur selben Zeit wie der »Hauptfilm« entstandenen Beiträge. Zu dem Film L'Argent fanden wir beispielsweise den Dokumentarfilm von Jean Dréville, der dazu ein zeitgenössisches Making of gemacht hat. Der wusste das damals noch gar nicht, dass er ein Making of macht! Das ist ein bisschen so, als hätte er 70, 80 Jahre zu früh ein Making of oder eben ein Bonus-Modul gemacht. Also, so eine Art von Filmen gibt es. Dann gibt es Filme, die durchaus auch aus dem Ausland kommen können, die schon älter sind und auch schon ausgewertet worden sind, manchmal sogar schon im Fernsehen ausgestrahlt wurden. Dann gibt es die Sachen, die wir zusammen mit Allerton Films machen, die wir selbst produzieren. Außerdem gibt es noch diese ganzen Archive der einzelnen Länder. Das ZDF hat damals nicht wenig zum deutschen Kino produziert: natürlich zu Fassbinder, auch zu Sirk. Über Siodmak haben wir etwas in der Schweiz gefunden, bei TSR:person:(Télévision Suisse Romande). Das kommt ganz auf die jeweiligen Länder an. Wir suchen jedenfalls weltweit nach möglicherweise bereits existierenden Dokumentationen, wenn sie Filmemacher betreffen, über die wir arbeiten. Das ist eine etwas detektivische Arbeit, eine Spurensuche: den Film finden und kennen, die Rechteinhaber ermitteln, Kontakte herstellen, herausfinden, ob Zusatzmaterial existiert, das Aufsetzen von Verträgen; all diese Dinge.

Das Genre, für das wir uns am meisten interessieren, sind die analytischen Formate, so wie die Filme von Douchet.

Da gibt es sehr viel. Wir feiern dieses Jahr unser zehnjähriges Bestehen, immerhin! In dieser Hinsicht ist auch unsere Webpage nicht schlecht, mit den ganzen detaillierten Angaben zu den einzelnen Inhalten, gerade auch zu den Bonus-Materialien, die wir für unsere Veröffentlichungen hergestellt haben.

Haben Sie von Anfang an auch DVDs hergestellt?

Nein, mit den DVDs haben wir erst vor sechs Jahren begonnen. Der erste Titel, den wir herausgegeben haben, war Salò. Und von Anfang an haben wir diesen Ansatz verfolgt: Auch hier haben wir einen 30-minütigen Dokumentarfilm produziert, Salò – d'hier à aujourd'hui, eine intensive Auseinandersetzung mit dem Film und seiner Entstehungszeit, aber auch mit unterschiedlichen Äußerungen aus der Gegenwart. Das Ganze wurde speziell für die französische DVD-Fassung von Salò geschaffen, darin bestand das Projekt von Anfang an und das haben wir so auch durchgängig weiter entwickelt. Heute sind wir bei mindestens 150 DVDs angelangt, wobei das auch die zahlreichen Boxes einschließt. Wenn Sie also die Ozu-Box kaufen, dann kaufen Sie fünf, sechs verschiedene Titel. Also insgesamt kommen wir auf sehr viel mehr Einzeltitel.

Sie sagten auch, dass viele Ihrer DVDs gleich mehrere Bonus-Arbeiten enthalten. Das bedeutet, dass nicht nur die Liste Ihrer Filmtitel lang ist, sondern auch die Liste Ihrer Bonus-Materialien. Um auf die Bildungsinitiative zurück zu kommen: Vor einigen Tagen haben wir auch mit Eugène Andréanszky gesprochen.

Mit dem arbeiten wir viel zusammen, was einen bestimmten Pool von Filmen betrifft.

In Deutschland weiß man sehr wenig über die ganze Vorgeschichte des französischen Schulfernsehens des CNDP, das ja hochinteressante Filmanalysen hergestellt hat.

Sämtliche vom CNDP, vom CRDP oder von Eden Cinéma mit Alain Bergala hergestellten DVDs für Filmbildungszwecke sind ja nicht über den Handel zu beziehen, betreffen also Rechte außerhalb einer kommerziellen Auswertung. Wir werden übrigens mit all diesen Akteuren und Institutionen zusammenarbeiten, und zwar zu dem Film L'esprit de la ruche von Victor Erice. Mit der Zeit kristallisieren sich ja immer Verbindungen heraus und wir haben regelmäßig mit Eugène Andréanszky zu tun im Rahmen der Einrichtung »École au cinéma«, wo wir mehrere Carlotta-Filme untergebracht haben. Die Arbeitshefte, die bei »Les Enfants de cinéma« zu jedem Film herauskommen, sind wirklich sehr schöne Objekte an und für sich, aber sie sind eben auch sehr nützliches Werkzeug für die Filmbildungsarbeit. Wir bringen in dem Zusammenhang gerade L'homme invisible (The Invisible Man) heraus.

Haben Sie so etwas wie eine persönliche Top-Five Ihrer Lieblingsbonus-Materialien?

Diese Frage hat uns noch niemand gestellt! Man fragt uns immer nach unseren fünf Lieblingsfilmen, aber nie nach dem Bonus-Material! Na gut, klar ist eigentlich, dass »Quand la peur dévore l’âme« von François Ozon zu unseren Favoriten gehört, wegen des künstlerischen Ansatzes und auch wegen des interessanten Ergebnisses. Der Bonus-Film, den Jean Douchet zu L’Aurore (Sunrise) von Murnau gemacht hat, ist einer unserer besten. Und das war auch das erste Mal, dass wir etwas mit Douchet gemacht haben. Vor kurzem haben wir einen wirklich ambitionierten und bedeutenden 52-Minüter über den japanischen Filmemacher Kijû Yoshida gemacht. Yoshida ist ein Vertreter der japanischen Neuen Welle und Zeitgenosse Oshimas, nur wesentlich unbekannter, auch in Frankreich, wo man ihn gar nicht kannte, von einigen Personen wie Douchet, De Baecque usw. abgesehen, zusammen genommen waren das höchstens zehn Leute... Vielleicht gab es ein paar, die seinen letzten Film mitgekriegt hatten, aber die kannten bestimmt nicht seine ganze Filmographie. In diesem Fall haben wir also echte Pionierarbeit geleistet. Außerdem hatten wir Glück: Der Mann lebt noch, erfreut sich bester Gesundheit; er kam auch nach Paris, so dass wir ihn interviewen konnten, anlässlich einer Werkschau aller seiner Filme im Centre Pompidou, was uns natürlich zusätzlich in die Karten gespielt hat. Wir haben dann zwei seiner Filme in unseren Kinoverleih übernommen und eine Yoshida-DVD-Box herausgegeben, auch hier wieder treu nach bewährtem Rezept: Es ging uns darum, einen Filmemacher und sein Gesamtwerk zu entdecken und Lust auf seine Filme zu machen. Wir haben dann einen 52-Minüter über dieses Werk produziert, in dem wir den Filmemacher selbst, seine schauspielernde Ehefrau Mariko Okada und andere japanische Persönlichkeiten interviewt haben. Zusätzlich sprachen wir mit deren Pendants in Frankreich, also mit Personen, die von hier aus über die verschiedenen Schaffensperioden Yoshidas Auskunft zu geben in der Lage waren: Leute wie Douchet, De Baecque, Tesson usw. So, damit hätten wir schon einmal drei der fünf Favoriten. Wer sind die beiden anderen? Auf jeden Fall Salò! Das war das erste, was wir überhaupt jemals gemacht haben: Salò – d‘hier à aujourd'hui, den hat Amaury Voslion, ebenfalls Filmemacher, realisiert. Mit dem haben wir am Anfang viel zusammen gearbeitet. Der fünfte und letzte Favorit, ein dickes Projekt und unsere erste DVD-Veröffentlichung mit selbst produziertem Material: über Paul Morrissey und seine von Andy Warhol produzierten Filme Flesh, Trash und Heat. Wir sind damals nach New York gefahren und haben über alle drei Filme umfassend recherchiert, auch über Paul Morrissey selbst und über das musikalische, kulturelle usw. Umfeld dieser Zeit. Am Ende kam eine Box heraus, mit einer ganzen DVD nur für das Zusatzmaterial. Es war zwar kein 52-minütiger Dokumentarfilm dabei, aber diese Zusatz-DVD war voller anderer Features.

Das war auch die Geburtsstunde von Allerton, nicht wahr?

Ganz genau, mit diesen Bonus-Materialien haben wir Allterton gegründet.

Sie erwähnten vorhin den Film über die Dreharbeiten von L'ARGENT von L’Herbier: Das könnte einer der ersten filmkundlichen Filme sein, die jemals hergestellt wurden.

Ja, das steht ganz eindeutig im Zusammenhang mit unseren Archivkontakten. Der Film existiert, den haben wir nicht entdeckt, der lag bei den Archives du Film. Von dort kam auch die ursprüngliche Initiative, etwas über den Film von L'Herbier zu machen. Dabei sollte es unsere Aufgabe sein, ihn wieder der Öffentlichkeit vorzustellen, in diesem Fall natürlich auf DVD. Ich glaube nicht, dass Jean Dréville, der Regisseur dieses vorzeitigen Making ofs, schon damals ein Filmemacher war. Dréville war damals noch sehr jung, er erklärt das auf der DVD: L'Herbier hat ihm eine kleine Kamera in die Hand gedrückt und damit hat er dann im Grunde einfach seine Entdeckungsreise gefilmt: der hatte vorher noch nie einen Dreh aus der Nähe erlebt. Das Ergebnis fällt umso stärker aus als dass L‘Herbier beim Drehen einen ziemlich eigentümlichen Ansatz besaß. Der hat ständig neue Aufnahmeverfahren erfunden, alle möglichen Arten von Kamerafahrten und solche Sachen. Außerdem war der Dreh in seiner Zeit eine der dicksten Produktionen, der war super-teuer für damalige Verhältnisse. Und in dieser Situation hatte Dréville vollkommen freie Hand, konnte die ganzen Vorbereitungen und die kompletten Dreharbeiten begleiten. Das Ding ist immerhin 20, 25 Minuten lang, und wenn man das heute anschaut, dann hat man den Eindruck, dass das schon ziemlich genau dem entspricht, was für heutige Filme als Making of produziert wird. Und was die Sache doppelt interessant macht: 40, 50 Jahre später spricht Dréville einen Kommentar auf, denn der Film war ja schließlich ein Stummfilm. Man mache sich das klar: Indem er sein eigenes Making of kommentiert, bietet er eine Audio-Kommentar-Option an!

Seine zweite Erfindung! Wir haben gesehen, dass L'Herbier zu den Moderatoren und Regisseuren für cinephile Sendungen im frühen französischen Fernsehen gehörte.

Ja, L'Herbier war auch Kritiker, er hat sogar bei den Cahiers du Cinéma geschrieben, so ein bisschen im poetischen Stil. Außerdem hat er ja vor L'Argent eher experimentelle Filme gemacht, das war eigentlich Filmforschung, keine fiktionalen Sachen. Die L'Argent-DVD ist auch deshalb ein besonderer Fall, weil wir sie in Zusammenarbeit mit der AFRHC erstellt haben, der Association Francaise de la Recherche sur l'Histoire du Cinéma. Diese Konstellation verlangt natürlich eine noch umfangreiche filmgeschichtliche Recherche – einen Aufwand, wie ihn Historiker betreiben: eine Stoffsammlung erstellen, in die Archive gehen, sich über Darstellungsfragen aller Informationen Gedanken machen. Wir haben dann eben in enger Zusammenarbeit mit der AFRHC spezifisch über diesen Film einen Dokumentarfilm von über 50 Minuten Länge hergestellt, also über L‘Herbier im allgemeinen und über seinen Film L’Argent im besonderen, voll mit Zeitzeugenaussagen und vom Erscheinungsbild her eher Historiker-orientiert als cinephil. Das zeigt eigentlich ganz gut, was wir machen: Auch wenn wir hier zuallererst dem obersten Gebot der Kino-Kulturerbe-Arbeit nachkommen und eine Filmhistoriker-Arbeit zu koordinieren haben und z.T. selbst leisten, verändert das nicht unseren grundsätzlichen Ansatz: Filme neu herausbringen, sie auf die bestmögliche Weise präsentieren, alle wesentlichen Aspekte berücksichtigen und auch auf die Vollständigkeit der Versionen achten. Davon ausgehend schaffen wir dann neue Beiträge, die den Film begleiten. Wir wollen die Filme ja nicht so herausgeben als ob wir das Kino ins Museum stecken wollten. Wir sind nicht auf der Welt, um einen Film hinter Glas zu stellen, wie das in einer klassischen Kinemathek gehandhabt würde. Im Gegenteil: Wir wollen jeden Film herausbringen wie eine Neuerscheinung, damit er auch heute noch eine Existenz besitzt und gewissermaßen ein Leben führen kann!