Filmvermittlung und frühes Kino

Les cent et une nuits (Agnès Varda)

2 x 100 Jahre Kino

Agnès Varda »Les cent et une nuits«

Eine Fußnote der Kinogeschichte in voller Buchstäblichkeit ins Bild gesetzt: Diesen Scherz erlaubt sich Agnès Varda in ihrem Film Les Cent et une nuits (F 1995), wenn sie die Erfinder einer der wichtigsten Licht- und Bildmaschinen des 20. Jahrhunderts, Louis und Auguste Lumière, mit leuchtenden Glühbirnen besetzt inszeniert. Die beiden schwarzen Gestalten, deren Umrisslinien durch die Lichter zur Erscheinung gebracht werden, treten in einen dunklen Raum, das Schlafzimmer des hunderjährigen Simon Cinéma (Michel Piccoli). Diese Inszenierung der Brüder Lumière ruft allerlei Assoziation hervor – vom Licht der Aufklärung, von Jahrmarkts- und Werbelichtern bis hin zum Licht der Kerzen auf einer Geburtstagstorte. Im Rücken der beiden Figuren liegt ein Flur, in dem gerahmte Bilder an den Wänden hängen: Ein Bilderspeicher.

Ob er wisse, woher die Lumières ihren Namen hätten, fragt Jean-Luc Godard in seinem Film 2 x 50 ans de cinéma français (F 1995) Michel Piccoli, der hier in seiner Funktion als Präsident der Vereinigung »100 Jahre Kino« zu sehen ist. Der Name Lumière gehe auf den Großvater von Auguste und Louis zurück, der in einer Kirche im Tal der Haute-Saône Kerzen angezündet habe, so Godard. Piccoli erwidert: »Wir haben mit diesem Tal etwas vor: Es ist das Tal der Bilder.«

Anlässlich des 100. Kinogeburtstags kommt es gehäuft zu inszenatorischen Doppelungseffekten – so auch in Vardas Jubiläums-Beitrag: Die Brüder Lumière sind Gratulanten und Jubiliare zugleich. Der »100 Jahre Kino«-Beauftragte Michel Piccoli verkörpert in »Les Cent et une nuits« als Simon Cinéma auch noch das Kino selbst. Schließlich läuft Vardas Inszenierung auf eine weitere Doppelung hinaus: Die Brüder Lumière besuchen Simon Cinéma: 2 x 100 Jahre Kino.

Filmografie